»Man stelle sich vor: Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (Gesetze, Polizei, Bildung etc.) würden ausschließlich durch Privatunternehmen organisiert. An Orten wie Pr6spera auf der honduranischen Karibikinsel Roatan ist dieses Ideal schon in Teilen Realität. Denn radikalisierte Neoliberale sind dabei, sogenannte ›Privatstädte‹ zu errichten, vorrangig in Ländern des globalen Südens. Diesen Privatstädten, den Akteur*innen, die sie vorantreiben, und ihren Ideenwelten, widmet sich der Soziologe Andreas Kemper in seinem neuen Buch. Zunächst beschreibt Kemper die Debatten innerhalb des Neoliberalismus. Mit der Finanzkrise 2007 radikalisierten sich einige Anhänger*innen der sogenannten Österreichischen Schule. Ihr Diktum lautet ›Demokratie ist das Gegenteil von Freiheit‹, weshalb demokratische Entscheidungsprozesse, Arbeitsrechte und Gewerkschaftsfreiheit abgeschafft gehören. Anstatt auf einen gesellschaftlichen Wandel in ihrem Sinne zu warten, wollen sie zur Tat schreiten. Ihre Lösung: die Gründung von Privatstädten. Daraufhin präsentiert Kemper die internationalen Privatstadt-Netz-werke von Hochschulen, Thinktanks und Unternehmen. Erschreckend ist die große Zahl deutscher Akteur*innen und wie anschlussfähig manche Konzepte an den liberal-konservativen Mainstream sind. Zuletzt veranschaulicht Kemper am Beispiel von Honduras, wie die Privatstadt-Szene vorgeht.
Parallel zum Erscheinen des Buches gab es gute Nachrichten aus Honduras: Unter der neuen linken Präsidentin Xiamora Castro wurden die dortigen Privatstädte für rechtswidrig erklärt. Kempers Buch ist jedoch alles andere als überholt. Die Akteur*innen in Pr6spera berufen sich auf Investitionsschutzabkommen und Bestandsgarantien. Und planen weitere Privatstädte in anderen Ländern. Kempers Buch leistet einen elementaren Beitrag, um über diese Bewegung aufzuklären.« – René Thannhäuser, Südlink 201, September 2022
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