contraste über ›Andere werden folgen…‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen contraste über ›Andere werden folgen…‹


»Marina Ginestàs Roman nimmt uns in die Jahrzehnte vor Beginn des spanischen Bürgerkriegs mit. Sie war selbst Teil der anarchosyndikalistischen Bewegung und arbeitete damals als Reporterin und Dolmetscherin. Aus der Perspektive von Ana, die nach 40 Jahren zum ersten Mal wieder in die Straße ihrer Kindheit zurückkehrt, tauchen Leser*innen nicht nur in die Familiengeschichte der Ginestàs, sondern auch in die Geschichten der Genoss*innen des revolutionären Syndikalismus im Katalonien der frühen 1920er Jahre ein. Dabei begegnen wir stellenweise zentralen Figuren des katalanischen Anarchismus etwa Salvador Seguí oder Ángel Pestaña. Historisch deckt der Roman die Zeit der »Tragischen Woche« (1909) sowie die Zeit des Marokko Kriegs (1921 bis 1926) ab. Er lässt die Leser*innen teilhaben an den Lebensrealitäten der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen und ihren Familien. Mit dem Kongress der CNT in Madrid (1919) werden auch die großen Streitfragen des Anarchismus rund um die Unterstützung der bolschewistischen Revolution Thema des Buches. Darüber hinaus prägen Generalstreiks, Kämpfe um Lohn und Stunden sowie die Gründung von Arbeitgeberverbänden den Alltag der Romanfiguren. Sie durchleben den Canadenca-Streik, der 1919 in der Stromgesellschaft Kataloniens beginnt und sich zum Generalstreik ausweitet, sowie die Kämpfe zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Dabei erleben sie sowohl Zugeständnisse der Regierungen, aber auch die blutigen Repressionswellen und Attentate, bei denen zahlreiche Gewerkschafter*innen verhaftet werden und/oder ums Leben kommen. Darunter auch Miguel, eine zentrale Figur des Gewerkschaftskampfs im Roman.

Ginestàs Roman macht die soziale Instabilität und die Lebensrealitäten der damaligen revolutionären Kämpfer*innen, die oftmals von Ungewissheit, (Verlust)Angst und Trauer geprägt sind, spürbar. Besonders bewegend ist die Stärke in den Gedanken und Gesprächen der Romanfiguren, die hoffnungsvoll an den libertären Idealen festhalten, wenn auch – wie Miguel – im Gefängnis sitzend und in großer Ungewissheit darüber, ob Frau und Familie noch hinter den politischen Zielen stehen. Stellenweise schafft Ginestà auch Einblicke in die Rolle der Frauen, zum Beispiel in den Kooperativen oder dahingehend, wie sie die vielen Rückschläge und Verluste bewältigen. Der Roman und seine Figuren machen Klassenbewusstsein und Arbeiter*innenkämpfe fühlbar. Er ist daher nicht nur historisch, literarisch und bewegungsgeschichtlich wertvoll und inspirierend. Vor allem kann daraus gelernt werden, wie in Zeiten politischer Niederlagen und Zweifeln an der eigenen Bewegung mit Hoffnung und Blick auf die Wegbereiter*innen weitergekämpft werden kann.« – Nadine Gerner, contraste #463, April 2023

Mehr…