Malmoe über ›Kontrollverluste‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen Malmoe über ›Kontrollverluste‹


»In Kontrollverluste thematisieren ÜberwachungskritikerInnen die Differenzen in der Bewegung für Freiheit statt Angst. Mein neuer Laptop hat eine kleine integrierte Kamera. Diese Funktion habe ich gleich deaktiviert, und bin noch nicht ganz sicher, ob aus Kritik an Überwachung, Paranoia oder der Unlust, mich permanent selbst zu sehen. Ganz passend zur Lektüre von Kontrollverluste. Interventionen gegen Überwachung, herausgegeben von der kontrollkritischen Initiative Leipziger Kamera, denn in deren Sammelband stehen mal nicht staatliche und unternehmerische Überwachende mit ihren Instrumenten im Vordergrund, sondern die Überwachungskritik selbst, deren Eingriffsmöglichkeiten und deren Ausschlussklauseln. Die Mehrheit der DatenschützerInnen und BürgerrechtlerInnen, die sich in den letzten beiden Jahren in Deutschland mit den Freiheit-statt-Angst-Demonstrationen großflächig gegen die Vorratsdatenspeicherung mobilisierten – so der Tenor – greift nämlich viel zu kurz, verfolge gar eine ›mehr als unvollständige Bürgerrechtspolitik‹ (Mathias Lehnert).

Im Ausrufen des ›Ende des Rechtsstaates‹ und Anrufen von Verfassungen und Grundgesetz geht die fundamentale Kritik am rechtssetzenden Staat und der Ökonomie von Regulation verloren; die unverhältnismäßige öffentliche Wahrnehmung, Überwachung treffe alle gleich, wird fortgeschrieben und tradiert damit die Repression von Randgruppen als randständiges Thema. Entlang des Gesellschaftsumbaus und der Verdrängung in der unternehmerischen Stadt ist auch der überwachte Raum sozial strukturiert und ein soziales Verhältnis. Kurzatmige Verallgemeinerungen über diese Verhältnisse führen einzig und allein zum strategischen Fehlschluss.

Zielgruppensichere Angst

Staatliche Überwachung ist, wie Ron Steinke schreibt, kein Selbstzweck, sondern erfüllt ein politisches Ziel, mit bestimmten AdressatInnen: §129a gegen Bildung terroristischer Vereinigung zum Beispiel trifft, weiß Andrej Holm, eben nicht beliebig, er wird nicht falsch angewandt, sondern gezielt, gegen linke AktivistInnen, und ist somit selbst ein Fehler. Die Entgrenzung von Kontrollen im ›Grenzschutz‹ wird beispiellos vorexerziert, gegenüber MigrantInnen, im Fall eines Flüchtlings vom Fingerabdruck im EURODAC bis zur Anwesenheitskontrolle über das Esspaket (Rojin). EmpfängerInnen von Sozialleistungen, sagt Peter Nowak, mussten schon lange vor dem Aufschrei um Steueroasen und Bankgeheimnis ihre Konten lüften und sich auf den Besuch von Sozialdetektiven einstellen. Umgekehrt sind es laut Volker Eick tausende Langzeitarbeitslose, die in den Dienst von ›SOS‹ (Sauberkeit, Ordnung Sicherheit) getreten werden. […]

Vielleicht sind die vielen Differenzen der Überwachungskritik, die sich in Kontrollverluste aus der Reflexion des breiten Bündnisses gegen die Vorratsdatenspeicherung ergeben, die nötige Basis für umsichtigere Allianzen, die Handeln gegen Überwachung besser mit ökonomischer, rechtlicher, feministischer, migrantischer, … Emanzipation im/vom Staat verbinden. Es wäre wünschenswert, ansonsten wirft der kritische Blick in die Kamera wenig zurück als ein privilegiertes Spiegelbild. « – kal, Malmoe 14. August 2008

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