‘Wenn ein Ethnologe zwischen den Kaffeestauden der Zapatistas herumkriecht und dort nicht nur als Ethnologe, sondern auch als Menschenrechtsbeobachter und Einkäufer von solidarisch gehandeltem Kaffee aktiv ist, dann existieren die Voraussetzungen für ein gutes Buch. Philipp hat in einem spannend zu lesenden Text den Bogen vom solidarischen Handel zum politischen Projekt der Zapatistas geschlagen.
Mit der Darstellung ihrer Entstehungsgeschichte setzt der Autor die Herausbildung der Kaffeekooperative „Mut Vitz“ in Beziehung zu einem Jahrzehnte alten Phänomen: dem Kampf der Campesinos um Zugang zu ihrem wichtigsten Produktionsmittel – Land. Dabei geht Gerber in der Geschichte zurück und illustriert mit eindrucksvollen Beispielen die Ausbeutung der indianischen Arbeitskräfte durch die Schuldsklaverei des 20. Jahrhunderts, gegen die, verbunden mit Landbesetzungen in den 70er/80er Jahren, eine indigene Bauernbewegung entstand, der die Gründung von Kooperativen unter dem Patronat maoistischer Mestizen folgte. Später, 1994, kam es mit dem Aufstand der Zapatistas zu einer Neuordnung der Verhältnisse.
Aufgrund der langjährigen persönlichen Beziehungen des Autors zu wichtigen Akteuren vor Ort bietet das Buch „Innenansichten“ von einer Kooperative, deren Produkt uns auf dem deutschen und Schweizer Markt wiederbegegnet. Als bewusster Käufer kennt man im fairen Handel üblicherweise den Namen der Kooperative und im günstigen Fall Statistiken über die Verteilung der Erlöse und ein paar Erlebnisberichte der Einkäufer. Das „Aroma der Rebellion“ präsentiert nuancierten Analysen der Gesamtsituation und intime Portraits der Lebenssituation von verschiedenen Familien der Kooperative, die die Extreme des Mitgliederspektrums repräsentieren. Da ist die Familie von Roberto, der zum Zeitpunkt der Buch-Recherche gerade das Cargo (die Last) des Präsidenten der Kooperative trug, entsprechend dem zapatistischen Verständnis eine ehrenamtliche Aufgabe. In weiteren Skizzen wird die Situation eines entlegenen, unter prekären Bedingungen lebenden Teils der Kooperative sowie die trotz Zapatismus patriarchalisch strukturierte Großfamilie von Don Martín geschildert. „Die starke Geschlechtersegregation in der Tzotzil-Kultur manifestiert sich auch in den Vermarktungsprojekten der Zapatistas“, heißt es in dem Teil des Buches, der sich mit dem Spannungsfeld von indigenem Patriarchat und emanzipatorischem Anspruch des zapatistischen Projekts befasst.
Der besondere Reiz des Buches besteht in der ehrlichen Analyse der Widersprüche, wie sie im realen Leben auch im zapatistischen Umfeld bestehen. Damit wird der in unseren Breiten latent vorhandenen Revolutionsromantik eine kritische Solidarität entgegengesetzt, die der Autor nicht nur beschreibt, sondern auch lebt. So gibt es Kapitel, die sich mit Neid und Solidarität (zwischen den Kooperativen) bzw. mit Ideologie und Realität des Cargos (der Last der ehrenamtlichen Pflichten) befassen. Letztere kommentierte der Kassierer der Mut-Vitz-Kooperative mit den Worten „Ich muss durchhalten, weil mich die Compañeros wählten“. Die Idee, dass diejenigen, die das Cargo tragen von den anderen z.B. bei der Bestellung ihres Familien-Feldes unterstützt werden, setzt sich nur langsam durch: „Da die Vorstandsmitglieder bei ihrer Arbeit nicht schwitzen, nicht den Rücken krumm machen, ist das in den Augen vieler socios (Kooperativenmitglieder) keine richtige Arbeit.“ Wesentlich ist aber, dass es zu den beschriebenen Problemen auch Lösungsprozesse gibt, auf die das Buch ebenfalls eingeht.
Der Text ist weit über den Kreis von Chiapas-Insidern hinaus interessant. Dafür stehen Kapitel wie „Die Arbeitsschritte im Export“ und ein kritischer Exkurs, bei dem sich der Autor mit dem Wandel im fairen Handel auseinandersetzt. Auf den Punkt gebracht, ist der faire Handel der großen Siegelinitiativen (Max Havelaar, Fair Trade) von einer ursprünglich antikapitalistischen Idee zu einer Marketing-Strategie degeneriert, bei der „…das Etikett ‚ethisch’ zum markttechnischen Vorteil gegenüber Konkurrenzprodukten (wird)“. Dieser Prozess wird detailliert belegt, einschließlich eines Verweises darauf, dass „die Zahlung eines Aufpreises allein die Welt kein bisschen besser macht“. Stattdessen „müssen verschiedene Ebenen der Marginalisierung gleichzeitig angegangen werden, um wirklich Armut bekämpfen zu können.“
Am Ende der Lektüre dürfte der Leser seine solidarisch gehandelten Produkte, insbesondere zapatistischen Kaffee, mit einem deutlich besseren Verständnis für die dahinter ablaufenden Prozesse konsumieren.’
Klaus Pedersen, Jena