Durch die Wüste der politischen Praxis
Auf einmal befindest du dich bei einer Demo gegen Nazis im sog. Polizeigewahrsam, du wirst beim ‘wilden’ Plakatieren erwischt oder du fragst dich einfach nur, ob du als AnmelderIn einer Demo rechtlich verantwortlich bist und Stress mit den Behörden bekommen kannst. Diese oder andere Situationen, in denen du dich mit prügelnden Cops oder nervenden Behörden konfrontiert siehst, kommen früher oder später auf jeden politisch aktiven Menschen zu. Unvorbereitet steht man leicht mit einem Gefühl der Ohnmacht und Angst den Repressionsorganen und einem Paragraphen-Dschungel gegenüber.
Tipps, Trix und wertvolle Anregungen für politische Aktionen und den Umgang mit Polizei, Justiz oder Verwaltungsbehörden gibt das Buch ‘Durch die Wüste’, das neu aufgelegt und gründlich überarbeitet (die erste Auflage dieses linken Klassikers erschien 1987 !) im Unrast-Verlag erschienen ist. Auf 240 Seiten finden sich alle erdenklichen Informationen und Tipps rund um das leidliche Thema Repression. Die HerausgeberInnen, ein AutorInnenkollektiv von Menschen, die in verschiedenen Rechtshilfe- und Antirepressionsgruppen aktiv sind, haben die (ver)alte(te) Version dieses Klassikers gründlich aktualisiert und um Kapitel zu den immer brisanter werdenden Themen rund um Überwachung wie ‘Genetischer Fingerabdruck’ und ‘Computerunsicherheit’ erweitert. Damit tragen sie dem Ausbau des staatlichen Überwachungsapparates, der natürlich auch nicht ohne Folgen für politische Repression gegen linke Gruppen geblieben ist, Rechnung. Auch auf die immer ‘beliebter’ werdenden Schnellverfahren, die sich häufig direkt an Festnahmen bei Demonstrationen anschließen, wird gesondert eingegangen.
Wie ein Leitfaden zieht sich das Ziel, eines bewussten Umgangs mit staatlicher Repression durch das ganze Buch. Zu diesem bewußten Umgang gehören für das AutorInnenkollektiv sowohl die Auseinandersetzung mit eigenen, individuellen Ängsten oder leichtsinnigen ‘Gewissheiten’, genauso wie Anregungen und Tips zur politischen Prozessführung und Solidaritätsarbeit. Immer wieder wird auf Ziele und Gefahren staatlicher Repression wie Einschüchterung, Vereinzelung, Spaltung und Entpolitisierung von Konflikten hingewiesen. Es bleibt aber nicht bei Informationen und Ratschlägen. Die AutorInnen sind parteiisch im besten Sinne – als Leitsätze des Buches könnten zwei alte Slogans der Linken herangezogen werden: ‘Angeklagt ist eine, gemeint sind alle !’ und ‘Allein machen sie dich ein!’.
Aber das Buch ist nicht nur empfehlenswert für ‘alte’, gestandene PolitaktivistInnen – sondern gerade auch für Neulinge linker Praxis, für eine erste und tiefgreifende Beschäftigung mit dem Thema Repression. Vor allem der umfangreiche Teil zum Thema Verhalten bei Demonstrationen, Sicherheit bei politischen Aktionen und Umgang mit der Staatsmacht ist bestens geeignet für die örtliche Jugend-Antifa, den JD/JL-Kreisverband oder ‘EinzelkämpferInnen’.
Parteiisch ist das Buch auch in seiner Sprache: Geschrieben im Szenejargon, immer nah dran an der ‘autonomen Basis’, mag es zwar für manch eine(n) stilistisch gewöhnungsbedürftig sein, ist aber gerade dadurch leicht verständlich und eben kein Paragrafendschungel.
Durch die Wüste – eine lohnende Investition in die eigene Sicherheit (und die von politischen MitstreiterInnen)!
florian.becker, JungdemokratInnen/Junge Linke NRW
Schlagloch, im Frühjahr 2001
‘Auf 232 Seiten gelingt es den Autorinnen einen umfassenden Überblick über die aktuelle Lage der politischen Repression in Deutschland zu liefern.
Ausgehend von einer Arbeitdsdefinition des Begriffes ‘Repression’ und einer Erläuterung ihres eigenen Ansatzes von Anti-Repressionsarbeit werden praktisch alle im politischen Alltag konkret relevanten Themenbereiche beleuchtet.
Die traditionellen Themen wie Aussageverweigerung, Demonstrationsrecht, BFS-Anquatsche und Strafverfahren bilden naturgemäß einen Schwerpunkt, aber auch Themen wie Computer, Gentechnik und Europol werden in verständlicher Form beschrieben.
Den Abschluss des Buches bilden die obligatorischen – und ziemlich vollständigen – Adressen und Literaturhinweise.
Uns freut natürlich besonders das Kapitel ‘Ruhig Blut!’ zum Umgang mit den unmittelbaren psychischen und körperlichen Auswirkungen der Staatsgewalt (Gruß an die Verfasserinnen).’
Strassenmedizin aktuell
‘Jahrzehnte haben wir auf eine Neuauflage gewartet – endlich ist sie da. Und sie kann auf Anhieb überzeugen. Das Buch beschäftigt sich zwar kaum mit Aspekten der Überwachungsgesellschaft, die über den -staat hinausgehen, aber das ist auch nicht der Anspruch. Vielmehr übererfüllt es alle Anforderungen an einen guten Rechtsratgeber. Es werden nicht nur Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren, Observation, Verhörmethoden, Anquatschversuche durch den VS erklärt, sondern auch, wie mensch sich dagegen wehrt (Aussageverweigerung, EA, RechtsanwältInnen, Spuren beseitigen etc.) bzw. unliebsame Zwischenfälle vermeidet: so wird z.B. ausführlich die Vor- und Nachbereitung von Aktionen und Demonstrationen in allen Facetten beleuchtet und mensch möchte hoffen, daß die dort entsprechenden Seiten von allen auswendig gelernt oder immer mitgebracht werden, wenn es darum geht, mehr als nur Bücher zu lesen.
Am Anfang gibt es einen kurzen theoretischen Abriß über das Wesen der Repression und am Ende wird sich mit technischen Aspekten der Überwachung (Computer, Datenbanken, Abhören) auseinandergesetzt, so daß dieser Teil als gelungene Aktualisierung des „Kleinen Abhörratgebers“ gelten kann. Abgerundet wird das ganze durch einen Adreßteil, der uns zu dem einzigen Kritikpunkt führt: die Adresse des Leipziger EA ist falsch. Und selbst das wird wohl eher an Leipzig als an den AutorInnen liegen.
Das Buch ist aufgrund seiner guten Gliederung, dem ansprechenden Layout und den ausführlichen Erklärungen vor allem für Jugendliche gut geeignet, aber auch die alten Hasen sollen unbedingt mal einen Blick hineinwerfen, denn der letzte Marsch durch die Wüste liegt nun schon lange zurück und diesmal gibt es sogar Oasen!’
Conne Island – CEE IEH #72
(Die Stiftung Warentest nahm diesen Monat sieben Publikationen zum Thema „Überwachungsstaat/Überwachungsgesellschaft“ unter die Lupe. )