»Thema des Sammelbandes ist die Auseinandersetzung mit Ungleichheits- und Gewaltstrukturen an der Schnittstelle von Geschlecht, Kultur, Ethnizität/Nationalität, Religion und Klasse. Die Autor*innen plädieren für eine konsequent intersektionale Analyse von Gewalt(-strukturen und -diskursen) um besonders vulnerable Menschen in ihren spezifischen Lebenssituationen angemessen unterstützen zu können. Der Sammelband ist gegliedert in zwei Leitartikel und anschließend in drei Teile zur theoretischen Auseinandersetzung mit Gewalt und Intersektionalität, zu gesetzlichen und rechtlichen Aspekten und schließlich zu den Möglichkeiten und Praxen von Gewaltschutz für Frauen* unter intersektionaler Perspektive. Unter dem Begriff “Differenzlinien” setzen sich die Autor*innen im ersten Teil mit Gewalt, Geschlecht und deren Interpendenz mit anderen Diskriminierungsmerkmalen auseinander und damit, was es bedeutet, geschlechtsspezifische Gewalt um eine intersektionale Perspektive zu erweitern. Wie Mehrfachdiskriminierungen sichtbar werden und welche Auswirkungen das auf den Schutz der betroffenen Personen bei Gewalterfahrungen haben kann, zeigt Elena Buta in Bezug auf Transpersonen. Sabine Fries analysiert die Wechselwirkung zwischen geschlechtlicher Gewalt und dem Merkmal Behinderung. Fabienne Mahwane beleuchtet den Umgang mit Rassismus innerhalb des Hilfesystems gegen geschlechtsspezifische Gewalt und die Autorinnen Christine Kone und Katja von Auer fokussieren in diesem Zusammenhang auf den Rassismus gegen Sintizze* und Romnja*. Der abschließende Beitrag im ersten Teil von Ursula Probst setzt sich mit dem Thema Gewalt in der Sexarbeit und dem gespaltenen Verhältnis der Feminist*innen zu diesem Thema auseinander. Im zweiten Teil des Sammelbandes “Politik, Institutionen und Recht” geht es um strukturelle Bedingungen und deren Auswirkungen auf den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Kombination mit anderen Diskriminierungsmerkmalen. Sarah Elsuni analysiert die juristischen Aspekte von Gewaltschutz für Frauen* unter einer intersektionalen Perspektive. Dabei geht es vor allem um Hilfe für Frauen* mit Sorgeverpflichtungen und Migrationserfahrungen bei geschlechtsbezogener häuslicher Gewalt. Ulrike Lembke betrachtet die juristische und rechtspolitische Diskussion von Femiziden. Sie weist darauf hin, dass Rassifizierung häufig eine umfassende Analyse dieser Form der geschlechtsbezogenen Gewalt einschränkt. Christina Clemm fokussiert auf das Justizsystem als solches und zeigt anhand von Beispielen, dass es im deutschen System sowohl misogyne als auch rassistische und LGBTQ-feindliche Praktiken gibt, die durch intersektionale Ausbildung verhindert werden könnten. Die Autor*innen der abschließenden drei Beitrage im zweiten Teil betrachten die erschwerten Zugänge zum Hilfesystem für Frauen* mit Mehrfachdiskriminierungen. Der dritte und abschließende Teil “Zugänge und Ansätze” beschäftigt sich mit den Praxen des Gewaltschutzes bei geschlechtsspezifischer Gewalt in Kombination mit anderen Diskriminierungsmerkmalen. Die beschriebenen Settings reichen von drogengebrauchenden Frauen* auf der Straße, über die Bedingungen in Frauenhäusern für mehrfachdiskriminierte Frauen* bis hin zur Situation geflüchteter Frauen” in Frauenhäusern. Im Abschlussbeitrag zeigt Kathrin Schrader auf, wie wichtig es ist, dass in der Sozialen Arbeit der diskriminierungsfreie Schutz von Frauen* umgesetzt wird, indem betroffenenorientierte und intersektionale Ansätze verfolgt werden. Sie stellt ein Modell vor, mit dessen Hilfe es gelingen kann, Diskriminierungen durch eine intersektionale Mehrebenenanalyse zu vermeiden.
Insgesamt ein sehr informatives Werk, das für die Herausforderungen sensibilisiert, die beim Schutz für von Gewalt betroffenen Frauen* mit Mehrfachdiskriminierungen auftreten.« – Andrea Rothe, aep informationen, 4/2023