FUTURZWEI über ›Eine Welt – ein Klima‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen FUTURZWEI über ›Eine Welt – ein Klima‹


»Genau das richtige Buch zur richtigen Zeit, möchte man dem Unrast Verlag zu jubeln. Das kleine Münsteraner Kollektiv schafft es immer wieder, die aktuellen Diskurse der linken Bewegungen nicht nur abzubilden, sondern auch mit neuem Material zu versorgen. Das frisch erschienene Eine Welt – ein Klima ist so ein Buch aus der und für die Klimagerechtigkeitsbewegung. Und es erscheint just in einem Zeitfenster, in dem nicht nur die Klimakrise mit Hitzewellen und Hochwasser den globalen Norden spürbar getroffen hat. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat der Welt auch vor Augen geführt, was es bedeutet, wenn Volkswirtschaften abhängig sind von importierter fossiler Energie – und plötzlich scheinen sogar Systemfragen möglich. Also alles richtig gemacht, denkt man erfreut. Bis man zu Kapitel 8 kommt. Aber der Reihe nach.

Ausgangspunkt des von der Menschenrechtlerin Harpreet Kaur Paul und Dalia Gebrial von der London School of Economics kuratierten Werks ist die Idee eines Global Green New Deal. Die Klimakrise findet weltweit statt, sie hat eine weltweite Geschichte, zu der auch die koloniale Vergangenheit gehört. Lösungsstrategien funktionieren nur, wenn sie in andere politische und wirtschaftliche Fragestellungen eingebettet werden, und wenn sie nicht – wie die aktuellen Green-New-Deal-Konzepte – durch nationale Vorstellungen beschränkt sind. Denn die, so die These, führen geradewegs zu einem neuen, dann grünen Kolonialismus.

Kaur Paul und Gebrial machen dabei keine einfache Dichotomie böser Norden – guter Süden auf, sondern bieten einen – in dieser Breite neuen – internationalen Zugang zum Thema an. Dazu nutzen sie eine ungewöhnliche Struktur. Die acht Themenbereiche – Arbeit, Gesundheit, Wohnen und soziale Sicherheit, Handel und Investitionen, Land- und Ernährungspolitik, Wasser, Migration, Außenpolitik, Schulden und Reparationspolitik – haben jeweils eine kleine Einführung. Aber dann kommen Akteur:innen mit verschiedenen Blickwinkeln zu Wort – ungefiltert, im Originalton, mit einer Mischung aus Analyse und Kommentar. Das ermöglicht ihnen, ihre jeweilige Position in einen eigenen Zusammenhang zu stellen und somit viel deutlicher zu machen, als es in einer von den Herausgeberinnen zusammengeschriebenen Synopse möglich wäre. Nicht von ungefähr steht das Kapitel Arbeit ganz am Anfang: Wie schafft man die Abkehr von fossilen Energien und entsprechenden Infrastrukturen, ohne große Teile der Bevölkerung zurückzulassen– nämlich diejenigen, die in den entsprechenden Branchen ihr Geld verdienen?

Dabei wird schnell klar, dass es nicht nur um deutsche Kohlekumpel und regionen geht. Vielmehr kommen diejenigen zu Wort, die die Rohstoffe für Brennstoffzellen und Windkraftanlagen der trans formierten Wirtschaft beschaffen müssen – unter größtenteils ausbeuterischen Bedingungen. Sie fordern Beteiligung, Mitsprache und stellen ganz grundsätzlich in frage, ob Verbesserungen unter den gegebenen Machtverhältnissen über-haupt möglich sind. Überraschend und spannend ist dabei, wie sich die Gewerkschaftsbewegung – anders als hierzulande – etwa auf den Philippinen kompromisslos auf der Seite des Klimaschutzes verortet: »Die Herausforderung für die Gewerkschaftsbewegung besteht daher darin, Widerstand zu leisten und die Energiewirtschaft zurückzuerobern und anschließend demokratisch umzustrukturieren«, schreibt Vicente P. Unay, der Generalsekretär des Dachverbands Power-Sentro. Klar, an manchen Stellen klingen die ungefilterten Stimmen nicht wenig agitiert. Aber nur in einem Kapitel – dem Kapitel 8 – wird das wirklich problematisch: Wie eine Außenpolitik aussehen kann, die ohne grünen Kolonialismus auskommt, würde man zu gern wissen. Aber schnell wird klar, dass das Buch vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine fertiggestellt wurde. Prekäre fossile Abhängigkeiten sehen die hier zu Wort kommenden Wissenschaftler:innen ausschließlich gegenüber dem Nahen Osten und den USA. Hängen bleibt beim ersten Lesen vor allem die Forderung nach einer Demilitarisierung. Und die müsste nach dieser Zeitenwende sehr viel komplexer argumentiert werden, als es hier gelingt. Lesenswert ist das Buch mit diesem kleinen Abstrich allemal. Und auch als Arbeitsgrundlage für die Strategieentwicklung für Aktivist:innen taugt es, zumal es einen wirklich ausführlichen Anmerkungsapparat mitbringt.« – Beate Willms, FUTURZWEI nr. 21, 2022

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