»Der andere Zapata: Eine Textauswahl des mexikanischen Revolutionsführers Ricardo Flores Magón
Die Verlaufsform der chinesischen und der russischen Revolution war für relevante Teile der Linken immer gesicherter Wissensbestand und identifikatorischer Bezugspunkt. Ganz anders verhält es sich mit der Mexikanischen Revolution ab 1910. Obwohl der Revolutionsstreifen ›Viva Maria‹, in dem Brigitte Bardot und Jeanne Moreau mexikanischen Revolutionären und verarmten Bauern als Sprengstoffexpertinnen unter die Arme griffen, zum Kultfilm der bundesrepublikanischen 68er avancierte, blieb die mexikanische Revolution ein Exotismus, den man lieber auf Sombreros und Carramba reduzierte. Als im Januar 1994 die mexikanischen Zapatistas gegen die PRI und die Freihandelszone NAFTA aufbegehrten, begaben sich jüngere Linke auf historische Spurensuche. Mit Zapata hatten sich die aktuellen Zapatistas einen Revolutionär wieder angeeignet, der lange Zeit nur noch in der sinnentleerten Ikonographie der institutionalisierten Revolution, also der PRI-Herrschaft über Mexiko, einen Platz hatte. Besonders im neben Chiapas gelegenen Bundesstaat Oaxaca beziehen sich noch heute Arbeiter- und Bauernkomitees auf eine weitere wichtige Person der mexikanischen Revolution: Ricardo Flores Magón. Er war einer der Gründerväter der ›Liberalen Mexikanischen Partei‹ und entwickelte sich zu einem führenden Theoretiker und Propagandisten des kollektiven Anarchismus. Anders als Zapata eignete sich Magón nicht zur herrschaftlichen Adaption. Er nahm die Erfahrungswelt indigener Kollektivstrukturen in seine Vorstellung eines libertären Sozialismus auf. Magón sah sich als Antiimperialist und Internationalist zugleich, seine Anhänger, die Magonistas prägten die Parole »Tierra y Libertad«, die erst später von der zapatistischen Bewegung aufgegriffen wurde und bis heute das Programm der meist indigenen Landarbeiter auf den Punkt bringt. In der beim Münsteraner Unrast-Verlag erschienenen Reihe ›Klassiker der Sozialrevolution‹ kam nun eine kleine Textauswahl Magóns heraus, die vor allem durch ihre gute Einführung besticht. Die den Band herausgebenden Gruppe B.A.S.T.A schafft es in einer kurzen Einleitung, die sehr verworrenen Fronten der mexikanischen Revolution darzustellen, die sich durch heftige Elitekämpfe auf der einen und eine soziale Revolution auf der anderen Seite auszeichnete. Auch eine ausführliche chronologische Darstellung der Revolution destilliert die wichtigsten Daten und Ereignisse heraus. Die kurzen Manifeste und Erzählungen von Magón, die in der Zeitschrift Regeneración zwischen 1905 und 1916 veröffentlicht wurden, sind in einer schlichten Sprache gehalten und erscheinen wie Revolutionsparabeln. Sie repräsentieren für bestimmte Weltgegenden eine Kommunismusvorstellung nach der Brechtschen Vorstellung des Einfachen, das schwierig zu machen ist und immer noch Geltung für sich reklamiert. So sind im Anhang drei Stellungnahmen magonistischer Organisationen aus dem Jahre 2005 abgedruckt. Ya basta! Schluß mit einer Gesellschaft, die von »Macht, Geld und patriarchalem Autoritarismus« beherrscht ist.« – jw, Walter Hanser, 2005