Als Teil der anarchosyndikalistischen Bewegung entstand ab 1920 der ›Syndikalistische Frauenbund‹, der in seiner Hochzeit bis zu 1.000 Frauen umfasste und von 1921 bis 1930 die Zeitung Der Frauen-Bund herausgab. Die Besonderheit dieses anarchosyndikalistischen Frauenzusammenschlusses ergibt sich daraus, dass im Unterschied zur Frauenpolitik anderer Vereinigungen der ArbeiterInnenbewegung bewusst auch nicht erwerbstätige proletarische Hausfrauen und Mütter organisiert wurden. Der Schwerpunkt lag auf dem so genannten Reproduktionsbereich (Haushalt, Kindererziehung). Seine Protagonistinnen, wie z.B. Milly Witkop, die eine Prinzipienerklärung unter dem Titel Was will der Syndikalistische Frauenbund? verfasste, Hertha Barwich, Geschäftsführerin der ›Reichsföderation syndikalistischer Frauenbünde‹ in Berlin, und Aimée Köster, Schriftleiterin der Zeitung Die Schaffende Frau in Dresden, stellten wiederholt unter Beweis, dass das Private eminent politisch ist. Damit nahmen sie bereits in den 1920er Jahren eine Haltung vorweg, die von der Neuen Frauenbewegung nach 1968 wieder aufgegriffen werden sollte.
»Ich verstehe unter Anarchie einen gesellschaftlichen Zustand, wo die wirtschaftliche Ausbeutung und die politische Unterdrückung der breiten Volksmassen durch privilegierte Minderheiten unmöglich ist [sic!]. Mit anderen Worten, einen gesellschaftlichen Zustand, wo die Produzenten selbst Besitzer und Verwalter der Produktionsmittel und aller sozialen Reichtümer sind und wo folglich jede Form der politischen Herrschaft und des wirtschaftlichen Monopolismus Dinge der Vergangenheit sind. Anarchie ist also jene Form der gesellschaftlichen Organisation, wo wirtschaftliche Gleichheit und politische und geistige Freiheit eine Synthese bilden, wo jedem Einzelnen die volle Entwicklung seiner Fähigkeiten gewährt ist, und wo das tiefste soziale Empfinden mit der denkbar größten persönlichen Unabhängigkeit Hand in Hand gehen.« – Milly Witkop am 28.08.1916 während ihrer Anhörung in London, die über ihre weitere Inhaftierung entschied.