Warum die »Sozialreformen« nicht die Kassen füllen, sondern das Gespenst der Freiheit bannen sollen.
Eine analytische Demaskierung des Herrschaftsbegriffs »Arbeitslosigkeit«.
Warum hat in Krisenzeiten die Frage ›was hält die Gesellschaft zusammen‹ Hochkonjunktur und wieso ertönt am Ende stets der Ruf nach ›Arbeit‹, ›Anerkennung‹ und ›Eigenverantwortung‹?
Klappentext
Nachdem Religion und Moral als Mittel sozialer Kontrolle ausgedient haben, trägt allein das Arbeits- und Leistungsprinzip die Bürde, den Kitt in den hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaften herzustellen. Doch auch diese »Religion des Alltagslebens« (Marx), wonach Status und Einkommen Ausdruck individueller Leistung und nicht der Herkunft oder anderen Zufällen geschuldet sein sollen, offenbart zunehmend seine Absurdität.
Die Analyse politik-ökonomischer, soziologischer und philosophischer Diskurse über Arbeit und Arbeitslosigkeit zeigt, dass und wie die neuere ›Reform‹politik auf dieses Dilemma reagiert. Weit davon entfernt, ein ›Ende der Politik‹ anzuzeigen, ist es die ›historische Mission‹ des Neoliberalismus, das Schreckgespenst der Freiheit zu bannen. Analog zur künstlichen Verknappung des Reichtums gesellt sich so die Erzeugung von Angst und Schuld durch jene Simulation der ›Eigenverantwortung‹, im Zuge derer die Symptome einer ›deformierten Gesellschaft‹ – ›Faulheit‹, ›Illoyalität‹ und ›Anspruchsdenken‹ – bekämpft werden sollen.
Rezension
Leistung um jeden Preis – von Sarah Martens
Rezension von Thilo Fehmel, in: Soziologische Revue, Heft 2, Jahrgang 29 (2006)
Aus dem Inhalt
Vorwort
I Einleitung
I.1 Vom »Ende der Arbeit« zur Standortexpertise
I.2 Leistungsprinzip und Herrschaftsrationalität
Exkurs: Leistungsprinzip und Geschlechterverhältnis
I.3 Arbeitsschritte und Methode
II Arbeit, Leistung, Herrschaft
Exkurs: Zum Begriff des Leistungsprinzips
II.1 “Abstrakte Arbeit”
II.1.1 Der Geldnexus der Arbeit
II.2 Idealisierung und Affirmation: Von der Arbeits- zur
Tätigkeitsgesellschaft
II.2.1 Die Kritik an der »Arbeitsmetaphysik« und ihre Grenzen
II.2.2 Soziologische Weitwürfe
II.3 Zusammenfassung
III Aufstieg des Arbeits- und Leistungsprinzips
III.1 Arbeit zwischen Gott und Geld
III.1.1 Vom »Kirchenjoch zum Joch der Arbeit”
III.1.2 “à chaqun selon sa capacité, à chaque capacité selon ses oeuvres”
III.2 Modernisierung durch Gewalt, Klassenkampf und »zweite Natur”
III.2.1 Das Ringen um Anerkennung und ihr Preis
III.3 Die Wiederkehr der verdrängten Nichtarbeit im Antisemitismus
III.4 Zusammenfassung
IV Die Krise des Leistungsprinzips
IV.1 Arbeitslose Arbeit
IV.1.1 Funktionalität der Arbeitslosigkeit
IV.1.2 “Endlose Gelüste« statt Ende der Arbeit?
IV.2 Die Verwissenschaftlichung der Produktion und das Reichtumsparadox
IV.3 Krise, Reichtum und Mangel: Nichts Genaues weiß man nicht
Exkurs: Globalisierung, fiktives Kapital und die Grenzen von Keynes
IV.3.1 Die Ideologie der Knappheit
IV.4 Zusammenfassung
V Die Rekonstruktion des Leistungsprinzips: Arbeit als Dienst
V.1 Die Debatte um die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft
V.1.1 Der Mythos der Qualifizierung
V.2 Von der Verdrängung zur Aktivierung
V.2.1 Rekommodifizierung im Postfordismus
Exkurs: Zur Kritik der Niedriglohnpolitik
V.2.2 Workfare relaunched
V.2.3 Hartzschrittmacher
V.3 Arbeit und »menschliche Würde”: Der Paternalismus der »Anerkennung”
V.3.1 “Anerkennung«, »Egalitarismuskritik« und das »Recht auf Arbeit« bei Negt, Honneth und Krebs
V.4 Auf die Plätze! Chancengleichheit als Gerechtigkeit »a priori”
Exkurs: Das Beschweigen der Arbeit und ihre Simulation als Dienst
V.5 Zusammenfassung
VI Markt und Herrschaft
VI.1 Elend und Triumph des Neoliberalismus
VI.2 Individuelle Freiheit und das Lob des Marktes
VI.2.1 Lob der Differenzierung oder ‚Die Welt ist keine Ware’
VI.2.2 Freiheit durch Wettbewerb oder der Kampf ums Dasein
VI.2.2.1 “Die Not der Notlosigkeit”
VI.2.2.2 “Die Welt aushalten lernen”: Baha(ber)mas-Kommunismus
VI.3 Die Reg(ul)ierung der Freiheit
VI.3.1 Leistungsprinzip und Sozialstaat
VI.3.1.1 Politische Ökonomie der Steuerung des Sozialen
VI.3.1.2 Sozialstaat zwischen Affirmation und konservativer Kulturkritik
VI.4 Zusammenfassung
VII Schlussfolgerungen
Literatur
weitere Texte des Autors
Verschlossene Türen
taz Nr. 7485 vom 12.10.2004, Seite 15, 299 Zeilen (Kommentar), HOLGER SCHATZ