Unter dem Motto „Abgegoltene Schuld?“ analysiert Rolf Surmann zunächst die deutsche Rehabilitierungs- und Entschädigungspolitik gegenüber den NS-Opfern. Im Mittelpunkt steht hierbei die Kontroverse über Entschädigungszahlungen für ehemalige NS-Zwangsarbeiterinnen und NS-Zwangsarbeiter. Doch beschränkt er sich nicht auf die Herausarbeitung der offenkundigen Defizite und ihrer politisch-ideologischen Hintergründe. In einem zweiten Schritt nimmt er die Politik gegenüber den Opfern nach 1945 als Gradmesser für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen und gewinnt so einen Ausgangspunkt für die Kritik der aktuellen Erinnerungs- und Geschichtspolitik. Nicht nur der neue Opferdiskurs mit seinen Stichworten „Vertreibung“ oder „Bombardierung von Dresden“ wird auf diese Weise thematisiert, sondern die historische Legitimation der aktuellen Menschenrechtspolitik als „Lehre aus Auschwitz“ insgesamt in Frage gestellt.
Klappentext
Auschwitz, als »Holocaust-Code« ideologisiert, ist für Deutschland und die westliche Welt zum Ausgangspunkt einer internationalen Menschenrechtspolitik geworden, die bisher selbstverständliche Souveränitätsrechte im Namen einer neuen »Weltinnenpolitik« aufhebt.
Ausgehend von der These, dass sich zur Legitimierung des eigenen Handelns auf das Schicksal der NS-Opfer nur berufen kann, wer nach bestem Wissen und unter Nutzung aller vorhandenen Möglichkeiten versucht hat, die Überlebenden zu rehabilitieren und zu entschädigen, überprüft Rolf Surmann diesen Politikansatz. Seine Schlussfolgerung: Eine elementare Schuld der deutschen Gesellschaft ist bis heute nicht abgetragen.
Die Konjunktur der Erinnerungskultur wird vor diesem Hintergrund zu einer Normalitätssuggestion. Gerade angesichts des Umstands, dass sich das Post-1989-Deutschland der international weit verbreiteten Hinterfragung »nationaler Nachkriegsmythen« verweigerte und als »Vertreibung« und »Bombardierung« den deutschen Opfermythos der 50er-Jahre erneut kreierte.
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Aus dem Inhalt:
01. Der geschichtspolitische Spagat zwischen dem Schlussstrich gegenüber den unabgegoltenen Forderungen der NS-Opfer und internationaler Menschenrechtspolitik als vorgeblicher Lehre aus Auschwitz. Ein Problemaufriß als Einleitung
Die Entschädigungspolitik gegenüber den NS-Opfern und ihre Aporien
02. Entschädigungsverweigerung. Ein historischer Aufriß der Entschädigungspolitik
03. Publizistische Interventionen. Eckpunkte der Kontroverse über die Entschädigung für NS-Zwangsarbeit
– Alle für keinen
– Erpresste Rechtssicherheit
– Die Macht der Stifter
– Italienische Militärinternierte
04. Abgegoltene Schuld? Das entschädigungspolitische Erbe der Schlussstrichpolitik
Im Detail. Drei Beispiele für die politisch-ideologischen Hintergründe der Entschädigungsverweigerung
05. Distomo oder Die Grenzen der „Wehrmachtsausstellung“. Kriegsverbrechen und die Kontinuität deutscher Politik gegenüber Tätern und Opfern
06. Was ist typisches NS-Unrecht? Die verweigerte Entschädigung für NS-Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte
07. Getrieben. Die halbherzige Aufhebung der NS-Militärjustiz-Urteile
Kritik der Erinnerungs- und Geschichtspolitik
10. Sternstunden. Deutscher Gedenkfleiß und die Entschädigung der NS-Opfer
11. Die Finkelstein-Kontroverse oder Die neue gesellschaftliche Wahrnehmung der NS-Opfer
12. Amnesie der Amnesie. Die Rehabilitierung der Täter am Beispiel Degussa
13. Torgauer Gedenken. Die veränderte Rolle der NS-Opfer in der Erinnerungspolitik
– I (2000)
– II (2003)
– III (2004)
– IV (2004) – „Das Niveau, das wir brauchen“
14. Gegenwartspolitik und die Lehren von Auschwitz
15. Über die Transformierung deutscher Erinnerungs- und Geschichtspolitik. Thesen
Aktuelle Literatur
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Einträge zum Thema bei Wikipedia
Judenfeindlichkeit
Rechtsextremismus