ila über ›Privatstädte‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen ila über ›Privatstädte‹


»Dieses Buch ist erschreckend. Das Thema wurde in der Öffentlichkeit bisher wenig wahrgenommen. Aber die Idee der Privatstädte sollte bei allen, die die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft mit wirklicher Demokratie noch nicht aufgegeben haben, die Alarmglocken schrillen lassen. Mit diesen Projekten wird der Neoliberalismus auf die Spitze getrieben. Es soll in diesen Städten keinerlei öffentliche Kontrolle mehr geben. Sie werden zu Unternehmen, in denen die Eigentümer*innen das Sagen haben – Proprietarismus statt Demokratie und Wohlfahrtsstaat sind das erklärte Ziel. Analog zu den bereits in einigen Ländern existierenden Sonderwirtschaftszonen, in denen im Land geltende Zoll- und Steuergesetze, Arbeitsrechte und Umweltschutz zugunsten der dort investierenden Unternehmen außer Kraft gesetzt sind, soll der Staat in Privatstädten die Kontrolle an die Unternehmen übergeben, die dort ihre eigenen Gesetze machen, ihre eigene Gerichtsbarkeit einführen und private Sicherheitskräfte einsetzen wollen.

Seit 2008 arbeiten Netzwerke aus Firmen, Instituten, Stiftungen, Akademikern und Unternehmern (in diesem Zusammenhang tauchen fast ausschließlich Männer auf) an der Entwicklung von Privatstädten. Auch nach der Wirtschaftskrise fordern sie weitere Privatisierungen, mit dem Argument, es sei eben immer noch zu viel staatlich reguliert gewesen. Der Unternehmer Titus Gebel, einer der Hauptbetreiber der Idee in Deutschland, möchte so schnell wie möglich die ersten Privatstädte entstehen sehen, um mit diesen Modellen die Vorzüge des proprietaristischen Ansatzes praktisch vorführen zu können. Er hofft sogar, ›die ersten Privatstädte noch zu seinen Lebzeiten in Deutschland erleben zu dürfen‹ (117). Aber zunächst suchen sich die Betreiber für ihre Experimente kleine, ärmere und autoritär geführte Staaten aus, in denen sie von den Regierungen größere Zugeständnisse erwarten können.

In Deutschland gehören vor allem die Unternehmer Titus Gebel und Daniel A. Gottschald zu den Betreibern, in England der Brexit-Architekt Shanker Singham, in den USA finanziert der PayPal-Gründer und Milliardär Peter Thiel Institute und Stiftungen, und auch illustre Namen wie Patri Friedman sind dabei. Er ist der Enkel von Milton Friedman, dem Vordenker der Chicago School, wo er die Ideen des Neoliberalismus weiterentwickelte und die sogenannten Chicago Boys ausbildete – Chilenen, die später am Putsch gegen Salvador Allende und der Durchsetzung des Neoliberalismus in Chile beteiligt sein sollten.

Diese Verfechter eines radikalisierten Neoliberalismus eignen sich übrigens nicht nur Land und Gemeingüter an, sondern auch Begriffe. Sie bezeichnen sich gerne als ›libertär‹, als Libertarians, und ihr Projekt als ›Anarcho-Kapitalismus‹. Andreas Kemper fasst die Demokratiefeindlichkeit dieser Pseudo-Anarchist*innen und ihre Verachtung gegenüber Armen zusammen: ›Hinter dem Denken von ›Klasse statt Masse‹, ›Spitzenförderung statt Breitenförderung‹ steckt die Abwertung der Armen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet ein Tochterunternehmen der TU München (TUM) die Privatstadt-Idee förderte, gehört doch die TUM zu den Exzellenz-Unis mit ihren ›Exzellenz-Clustern‹. Wir dürfen uns diese Privatstädte nicht als einzelne Enklaven vorstellen. Ja, sie können auch als Rückzugsorte für Reiche funktionieren oder speziell in Honduras für kriminelle Drogenhändler (Narcos), oder schlicht als neue Form von ›Steueroasen‹. Aber wie Daniel A. Gottschald und das ›Brexit-Brain‹ Shanker Singham herausarbeiteten, sind es Cluster oder Knotenpunkte, die über Korridore, virtuelle Waren-Autobahnen, miteinander verbunden werden sollen. Es geht um die Errichtung einer Parallelwelt für die Superreichen.‹ (117f) […]« – Alix Arnold, ila nr. 456 6/2022

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