»Mit seinem heute als Klassiker gehandelten Essay ›Dekolonisierung des Denkens‹ ist der kenianische Autor Ngugi wa Thiong’o im hohen Alter von 80 Jahren zum Literatur- und Festival-Star des 21. Jahrhunderts mutiert. Er selbst stellt diese Volte seines an unerwartete Wendungen gewöhnten Lebenswegs mit Erstaunen fest. Als er Mitte der 1980er Jahre die ›Anweisung für eine wahrhaft afrikanische Literatur‹ veröffentlichte, schlug ihm von vielen afrikanischen Autoren Kritik und Unverständnis entgegen. […]
Und heute? Afrikanische Autoren verfassen ihre Texte noch immer in den Sprachen der einstigen Kolonialmächte. Sie werden in relativ großer Zahl in Europa, den USA, in eher geringer Zahl in Afrika selbst verlegt und gelesen. Doch ihre Gedanken und ihre Kritik an den Verhältnissen haben einen neuen Ausweg gefunden: das Internet sorgt für eine ungeahnte Verbreitung ihrer Romaninhalte, Erzählungen, Theaterstücke, Gedichte. Und dort finden sich dann auch wieder die so dringend gesuchten Übersetzer in die einheimischen Muttersprachen des afrikanischen Publikums. Ngugi wa Thiong’os emanzipatorischer Schritt zu einer wirklich afrikanischen Literatur hat somit im 21. Jahrhundert sein Versprechen erfüllt.« – Ronald Daus, KOSMOPOLIS, 24. September 2018