subjekt. gesellschaft

perspektiven kritischer psychologie
ISBN: 978-3-89771-413-7
192 Seiten, softcover

14,00 

Eine Kritik der herrschenden Verhältnisse kann einer Theorie des Subjektes nicht entbehren. Der vorliegende Band gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte und gegenwärtige Situation dieser Projekte. Exemplarische Analysen u.a. zur Psychoanalyse deutscher Generationengeschichte, zur neoliberalen Subjektformierung und zur Kategorie Geschlecht, geben einen Einblick in die unterschiedlichen Perspektiven und Problemaufschlüsse kritischer Psychologien.

Inhalt

Christoph Engemann
Vorwort

Thomas Gerlach
Die Herstellung des allseits verfügbaren Menschen
Zur psychologischen Formierung der Subjekte im neoliberalen Kapitalismus

Lars Quadfasel, Carmen Dehnert
Wenn der braune Großvater erzählt
Zur Psychoanalyse des postfaschistischen Subjekts

Christoph Kimmerle
»Geschlecht«
als eine zentrale Grundbegrifflichkeit der Psychologie(n)
zwischen Affirmation und Kritik gesellschaftlicher Differenzierung, Normierung und Hierarchisierung

Christine Kirchhoff
Anmerkungen zum Verhältnis von Gesellschaftskritik und Psychoanalyse

Katrin Reimer und Catharina Schmalstieg
Zum Zusammenhang von Psychologie- und Gesellschaftskritik

Elène Misbach
Kritische Psychologie und studentische Praxisforschung
Das Ausbildungsprojekt Subjektwissenschaftliche Berufspraxis als Beispiel für die Einheit von Forschung und Praxis

Autorengruppe Bremen
Theorie und Praxis der Psychoanalyse

Zu den AutorInnen

Kirsten Dieckmann geb. 1974, studiert seit 1995 Psychologie an der TU Berlin. Politische Tätigkeit zunächst in der Eine Welt Arbeit, seit 1996 in der Fachbereichsinitiative Psychologie. Mitglied des AStAs der TU Berlin, Politikschwerpunkte: Solidaritätsarbeit für Inhaftierte in der Türkei, Kampf der deutschen Asylpraxis und Überwachung. Mitorganisation von mehren Kongressen: ASPK 1997, »not a love song« Kongress sowie der Linken Hochschultage an der TU Berlin.

Christoph Engemann, geb. 1972; z. Z. Student der Psychologie in Bremen. Interessensschwerpunkte: Psychoanalyse, Subjekttheorien, politische Ökonomie des Internet. Mitorganisator des »not a love song« Kongresses.

Thomas Gerlach, Diplom-Psychologe. Studium in Bremen, Abschlussarbeit zum psychologischen Gehalt der neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie. Beruflich z.Z. in einer Behinderteneinrichtung tätig. Seit 1999 Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen.

Judith Heckel, geb. 1974, quälte sich lange mit dem Studium der Psychologie in Mainz, ab 2001 Fortsetzung des Studiums in Bremen. Mitorganisatorin des »not a love song« Kongresses.

Christoph Kimmerle, Dipl.-Psychologe: Studium an der Universität zu Köln und an der Freien Universität Berlin, Lehraufträge am Soziologischen Institut der FU Berlin, derzeit Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt zu Vergeschlechtlichungsprozessen an der Universität Potsdam als auch Berufstätigkeit in der psychosozialen Einzelfallhilfe; Interessensschwerpunkte: das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft unter Berücksichtigung von Handlung und Subjektivität sowie die soziale Konstitution und Funktionalität von Wissenschaft und disziplinären Praxen.

Christine Kirchhoff lebt in Bremen und studiert dort Psychologie.

Elène Misbach, studiert an der FU Berlin Psychologie, Schwerpunkt Kritische Psychologie. Hochschulpolitische Tätigkeit zum Verhältnis Wissenschaft, Herrschaft, Politik v.a. im Zshg. mit den Auseinandersetzungen um das politische Mandat der Verfassten Studierendenschaft.

Lars Quadfasel, ehemaliger Kindergärtner, und Carmen Dehnert, ehemalige Verkäuferin, studieren zur Zeit in Hamburg Germanistik und sind aktiv in der Gruppe Ratio Rausch Revolution (GRRR).

Katrin Reimer, 1973; Studentin der Psychologie an der FU Berlin; Arbeitsschwerpunkte: Theorie-Praxis-Verhältnis der Psychologie, gesellschaftstheoretische Dimensionen Kritischer Psychologie.

Claudia-Catharina Schmalstieg, 1974; Studentin der Psychologie an der FU Berlin; Arbeitsschwerpunkte: Feministische Wissenschaft(-skritik) und Kritische Psychologie; Mitarbeit in der Frauenredaktion der Zeitschrift »Das Argument«.

Anna Tuschling studiert Psychologie in Bremen, Mitorganisatorin des »not a love song« – Kongresses. Interessensschwerpunkte: Psychoanalyse des Geschlechterverhältnisses, politische Ökonomie des Internet.

Autorengruppe Bremen: Wer mehr über uns wissen will, den fragen wir, ob das mit der Analyse zu tun haben soll? Interessiert bei ihr der Autor nicht nur, wenn man sie für inhaltlich subjektiv hält, bloß weil sie die Form von Gedanken eines Subjekts hat? Wie hat man dann im übrigen aber die Differenz zum Objekt erkannt? – Oder soll der Autor wie so oft für die Autorität der Analyse einstehen, welche folglich ohne Argumente auskommt? – Warum dann überhaupt die Erklärung? – Wem es ernst mit ihr ist, sei daher auf sie zurückverwiesen.

Vorwort

Die Linke und die Psychologie hatten schon immer ein schwieriges Verhältnis zueinander. Von Seiten linker GesellschaftskritikerInnen stand die Psychologie unter dem Generalverdacht, eine bürgerliche Wissenschaft zu sein. Sie erzeuge aus individuellen Phänomenen Erklärungsmuster für gesellschaftliche Begebenheiten, die den Blick auf die historisch-gesellschaftliche Formbestimmtheit der Individuen verstelle. Die Psychologie, so diese Analyse, ist Produkt und gleichzeitig Generator von Ideologie und maßgeblich an der Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Verblendungszusammenhangs beteiligt. Darauf bezog sich auch der Vorwurf des »Befriedungsverbrechers« des italienischen Antipsychiaters Basaglia an die PsychotherapeutInnen und ArbeitspsychologInnen. Konsequent lautete die Forderung dieser Position denn auch »Zerschlagt die Psychologie!«.
Auf Seiten der PsychologInnen mit kritischem Selbstverständnis wurde dagegen einerseits auf das komplexe und klärungsbedürftige Wechselverhältnis zwischen Individuen und Gesellschaft verwiesen, dessen Verständnis für Fragen nach Konformismusphänomenen oder nach Emanzipationspotentialen entscheidend ist. Der überwiegenden Tätigkeit von PsychologInnen entsprechend waren andererseits die konkreten (Be-)Handlungsperspektiven psychisch leidender Menschen Gegenstand kritisch psychologischer Diskussionen. Wie könnte eine kritisch psychologische Praxis aussehen, die gesellschaftliches Leid nicht bloß individualisierend behandelt, in der PsychologInnen nicht mehr nur das humanistische Schmieröl im Verwertungsprozess darstellen?
Die vorliegende Textsammlung soll einen Überblick über bestehende kritische Psychologien bieten. Die Beiträge sind schriftliche Ausarbeitungen der Vorträge des Kongresses »this is not a love song – radikale linke und psychologie heute«, der im Juli 2000 in Berlin stattfand. Ziel dieses studentischen Kongresses war es einerseits, politische Themenfelder aufzuzeigen, zu denen sich kritische Psychologien verhalten müssen. Andererseits sollte eine Zustands- und Perspektivbestimmung der verschiedenen Strömungen kritisch psychologischen Denkens vorgenommen werden, die sich in den letzten dreißig Jahren entwickelt und teilweise institutionalisiert hatten.

Zur Geschichte kritischer Psychologien
Kritische Psychologie ist ein Schlagwort, das einer sozialen Bewegung den Namen gab, das aber auch als Sammelbezeichnung für diverse Theorieansätze fungiert. Ebenso wie in anderen Bereichen ist der Begriff der Kritik in der Psychologie zunehmend der Beliebigkeit anheim gefallen und fasste bald alles, was sich nicht im offiziellen akademischen Kanon wiederfand. In Opposition zum naturwissenschaftlich orientierten Weltbild der »Mainstream«-Psychologie gesellten sich orthodoxe MarxistInnen, soweit sie

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