Am 13.2.1999 wurde im brandenburgischen Guben der algerische Flüchtling Farid Guendoul / Omar Ben Noui von mindestens 15 Nazis in den Tod getrieben. Niemand griff ein, die Polizei kam zu spät. Ein weiterer Flüchtling, der den Nazis gerade noch entkommen konnte, wurde die ganze Nacht von der Polizei festgehalten. Die Beobachtung des Prozesses gegen die Nazis dokumentiert wie vielschichtig und tief rassistische Strukturen in dieser Gesellschaft verankert sind.
Rezension:
Journal der jugenkulturen No. 8 / April 2003
Christian Schmidt
“In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 1999 wird der algerische Asylsuchende Farid Guendoul im brandenburgischen Guben Opfer eines rassistischen Überfalls. Er wird von einer Gruppe Neonazis bedroht und gejagt, versucht sich mit einem Sprung durch eine gläserne Haustür zu retten, schneidet sich dabei eine Beinarterie auf und verblutet im Gang des Wohnhauses ohne daß ihm einEr der BewohnerInnen zu Hilfe kommt.
Dieses Buch aus der reihe antifaschistischer texte besteht aus einer Sammlung von Reportagen, Analysen, persönlichen Beobachtungen und Interviews, die den rassistischen Alltag in Guben vor und nach dem Mord aufzeigt. Es ist nicht nur die Verschleppung des Verfahrens, die die Prozeßbeobachtungsgruppe so gut nachzeichnet, oder die lächerlich geringen Strafen für die Täter, die die Empörung beim Lesen dieses Buchs hervorbringt, sondern vor allem die hegemoniale rassistische Alltagskultur, die sich in den Köpfen der ganz gewöhnlichen GubenerInnen, der Institutionen, der lokalen Behörden und PolitikerInnen festgesetzt hat. So konnten und können die Täter zu „ganz normalen Jugendlichen“ gemacht und die Tat vollkommen ihres politischen Hintergrunds beraubt werden. Hätte es keinen politischen Druck diverser antirassistischer Gruppen und Initiativen gegeben, dann wäre der Mord an Farid Guendoul als ein Unfall ohne neonazistischen Hintergrund in die Statistiken des Landes Brandenburg aufgenommen worden. Erst durch ihn wurde der rassistische Normalzustand zum Thema in Guben und die Auseinandersetzung damit unumgänglich. Auch wenn dadurch nicht die Gefahr von rassistisch motivierten Übergriffen in der brandenburgischen Stadt gebannt ist, haben die politischen Vorstösse doch den Vorteil gebracht, daß nicht mehr nur einfach weggesehen werden kann. Damit bietet dieses Buch auch ein Beispiel dafür, wie in Städten wie Guben antirassistische und antifaschistische Arbeit aussehen kann. Zumindest stellt es aber ein Konzept zur Diskussion, um die alltagskulturelle Hegemonie von Rechts aufzuweichen.
Die Bedeutung des Buches geht also über Guben hinaus. Es hätte auch jede andere beliebige Stadt in Deutschland beschreiben können, in denen „no-go-areas“ für MigrantInnen und „national befreite Zonen“ existieren. Entscheidend an Guben ist nur, daß die rassistische Dominanzkultur dort nicht nur durch militante Neonazis reproduziert und vom Mainstream einer gesellschaftlichen Mitte getragen wird, sondern auch einen Mord nach sich gezogen hat.
Mit diesem Buch legt die reihe antifaschistischer texte im Unrast Verlag eine weitere empfehlenswerte Veröffentlichung vor. Wer sich für die Situation in rassistisch dominierten Gegenden der BRD interessiert, sich die Konsequenzen dieses Zustands für die dort lebenden MigrantInnen, linken und antifaschistischen Menschen vor Augen führen möchte und nach antirassistischen und antifaschistischen Interventionsmöglichkeiten sucht, liegt hier vollkommen richtig. “