Herausgegeben unter der Mitarbeit von Frank Wichert
Edition DISS Bd. 6
Allenthalben ist zu hören, Nationen seien reine Mythen, Konstrukte, denen in Wirklichkeit keine reale Existenz zukomme. Es gehe deshalb darum, den Mythos Nation zu kritisieren und seine Irrealität bloßzulegen. Der Begriff ›Nation‹ reklamiere völlig zu Unrecht eine gemeinsame Herkunft oder gar Abstammung, die Homogenität einer Volks- und Schicksalsgemeinschaft, eine gemeinsame Sprache und Kultur und ähnliche Eigenschaften. Das ist ja auch nicht falsch.
Allerdings übersieht solche Kritik, dass Mythen reale und ganz konkrete Folgen haben: Die Festigung der Einflusssphären und Sicherung von Besitzständen führt zu Kriegen, die Hypostasierung der gemeinsamen Abstammung nährt Rassismus und Antisemitismus.
Auf diesem Hintergrund ist erst zu verstehen, weshalb die Debatten und Kämpfe um Vorstellungen von ›nationaler Identität‹, einem Terminus, der von ganz Rechtsaußen in die ›Mitte‹ der Gesellschaft gewandert ist, mit derart großer Heftigkeit ausgetragen werden. Dies geschieht heutzutage um so heftiger, als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und angesichts der Erweiterung der EU die alten Mythen offensichtlich transformiert werden (müssen).
In Verbindung damit sind auch subjektive Identitäten, die sich auf Identifikationen mit den jeweiligen nationalen Mythen berufen konnten, erodiert. Die Frage: Wer bin ich? Und erst recht: Wer ist der/die Andere? treibt viele Menschen um und führt zu Identitätskrisen und zu weltweiter Paranoia.
aus dem Inhalt:
Kurt Lenk (Erlangen): PAX AMERICANA – Hegemonie oder Imperium
Ivan Gololobov (Moskau): Der Kampf um die Identität Russlands nach dem Ende des Sowjetreichs
Gudrun Quenzel (Essen): Europäische Kulturpolitik – ihr Beitrag zur Renaissance konservativer Identitäten
Alfred Schobert (Duisburg): Alain de Benoists Vorstellungen von europäischer Identität
Siegfried Jäger (Duisburg): Paradoxe Entschärfungen im Interesse der Nation. Der Einwanderungsdiskurs nach dem 11.9.01
Semra Celik (Berlin): Hybride Identitäten bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund
Frank Wichert (Duisburg): Männliche Applikationsvorgaben in deutschen Print-Medien
Moshe Zuckermann (Tel Aviv): Israelische Identität und der Nahostkonflikt
u.a.
Rezension von Karl Pfeifer : lesen