Antisemitismus als Krisenregulierungsstrategie in der Gründerzeit, NS und New Economy

Krise und Antisemitismus

Eine Geschichte in drei Stationen von der Gründerzeit über die Weltwirtschaftskrise bis heute
ISBN: 978-3-89771-423-6
136 Seiten, softcover

13,00 

Der Zusammenhang von ökonomischen Krisen und dem Auftreten von Antisemitismus wurde in den klassisch marxistischen Positionen zur Genüge beschrieben. Dabei kam es zu einer sträflichen Vernachlässigung politischer, psychologischer und spezifisch historischer Dispositionen und Konstellationen. Auf der anderen Seite entstand eine bürgerliche Antisemitismustheorie, in der der offensichtliche Zusammenhang von gesellschaftlichen Krisen und Erstarken von Antisemitismus unterschätzt wurde, zugunsten einer toleranzverkündenden Ablehnung von “Vorurteilen”.
Das Buch beschreibt auf dem Hintergrund der Marxschen Krisentheorie die großen Kriseneinbrüche und die in ihnen auftretende Wirkungsmächtigkeit des Antisemitismus. Eine besondere Rolle spielt hier die Behandlung und Wahrnehmung des Geldes in der Krise. Geld wird hier nicht nur als “ökonomische” Größe, sondern als die zentrale Bezugsgröße im Kapitalismus angesehen, die die gesellschaftlichen Verhältnisse fetischisiert und zu antisemitischen Ideologien einlädt. Anhand von drei Fallstudien wird dieser Zusammenhang aufgezeigt: die Gründerkrise 1873, in deren Verlauf moderne antisemitische Parteien und Agitatoren zum ersten Mal in Deutschland die Börse mit dem Judentum gleichsetzten, die Weltwirtschaftskrise 1929 und die nationalsozialistische Antwort darauf, sowie die heutige Zeit der krisenhaften “New Economy”.
Gleichzeitig setzt sich der Autor mit der Kritischen Theorie und der zentralen Schrift von Moishe Postone über “Nationalsozialismus und Antisemitismus” auseinander, neben Marx als Krisentheoretiker und Geschichtsphilosoph der Revolution wird Friedrich Nietzsche als dunkler Theoretiker der Krise diskutiert. Darin wie sich in der Gründerzeit, im Nationalsozialismus und heute auf Nietzsche bezogen wird, werden die proteusartigen Diskurselemente Nietzsches deutlich, der aus ideologiekritischer Sicht gleichzeitig als Förderer und Bekämpfer antisemitischer Motive erscheint. Wie die Person Nietzsche selbst ist auch das Verhältnis von Antisemitismus und Krise von Inkohärenz und Unabgeschlossenheit geprägt.

Rezensionen
Rezensionen zu Gerhard Hanloser – Krise und Antisemitismus

Inhaltsverzeichnis

I. Vorweg
II. Das Geld und der Antisemitismus
II.1. Zum Geldrätsel
II.2 Marx lüftet das Geldrätsel
II.3 Geld, Kredit, Krise
II.4 Marx’ Vorahnungen – Die Kritik an Proudhon
III. Die Grenzen der marxistischen Krisentheorie
III.1. Weltgeist Abwärts
III.2 Krise und Regulationismus
IV. Die Krise von 1873 und der Antisemitismus
IV.1 Die allgemeine Spekulation
IV.2 Nach dem Krach
IV.3 Antisemitismus als Bestandteil
des Bismarckschen »Regulationsmodells«
V. Antisemitische Ordnungsideologie
und die große Krise von 1929
V.1 Reaktionäre Geldkritik
Die Krisenzeit vor 1929
Exkurs: Die Linkskommunisten um 1929
V.2 Kritische Theorien des Antisemitismus
V.3 Feder und die Zinsen –
Mehr antisemitischer Spruch als Bruch
V.4 Die Widersprüche des NS als ›Regulationsmodell‹
VI. Vom Wuchern der Finanzmärkte zum Ende
der gärtnerischen Logik der Moderne?
VI.1 Die Entstehung des »Kasinokapitalismus«
VI.2 Antworten auf den »Kasinokapitalismus«
VI.3 Der Anfang vom Ende der alten Identitäten?
Zum Schluß
Literatur

Der Autor
Gerhard Hanloser, Jahrgang 1972, ist Sozialwissenschaftler aus Freiburg i.Br.
Seine Schwerpunkte sind marxistische und Kritische Theorie und Theorien des Antagonismus.

Beiträge und Artikel von Gerhard Hanloser:

„Soziale Frage“
Welche Fragen, welche Antworten?
Ausarbeitung eines nicht gehaltenen Referats auf dem Münchner „Spiel-ohne-Grenzen“-Kongress

Kapitulation, theoretisch und konkret . Die antideutsche Linke und ihr Desaster im Kosovo-Krieg. Disco-Beitrag in der jungle World 26/1999

Nihilismus und Bombe . Zur Geschichtsphilosophie des Bellizismus. Disco-Beitrag in der jungle World 45/2002

Last Exit USA? Kommentar in der iz3w 266/2003

Gerhard Hanloser hat sich kurz vor Genua 2001 in der jungle World an einer Kritik der Antiglobalisierungsbewegung und ihrer antideutschen Kritiker versucht:
Geist gegen Bewegung
Der Kapitalismus als gesellschaftliche Totalität ist den Globalisierungsgegnern ebenso unbegreiflich wie den Wertkritikern.

aktuelle Texte:

Gerhard Hanloser – Konjunktur(en) des Antisemitismus
aus: trend onlinezeitung 11/03

Gerhard Hanloser – Vom „Kommunismus der Sachen“ zur “Anti-Moderne”
Robert Kurz’ unvollendete Aufhebungsbewegung Diskussionsbeitrag
unrast-news

Projekte zum Thema im Internet

Texte bei Wikipedia :
Judenfeindlichkeit
Rechtsextremismus

Informationen zu der Autor*in

Gerhard Hanloser hat Soziologie, Geschichte, Pädagogik und Deutsch studiert, lebt und arbeitet in Berlin und vertreibt sich die Zeit mit Privatstudien u.a. zum Antisemitismus, der Neuen Linken und dissidenten Strömungen der Arbeiterbewegung.