Krieg ist Frieden

Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach …
ISBN: 978-3-89771-419-9
Erscheinungsdatum 24. September 2002
228 Seiten, softcover

14,00 

Nicht vorrätig

Wolf Wetzel setzt nach die »Die Hunde bellen … Von A – (R)Z« (autonome L.U.P.U.S.-Gruppe Hg.) seine Zeitreise durch die deutsche Geschichte und deutsche Linke der letzten 10 Jahre fort.
Weder die terroristische Logik, noch die Zahl ziviler Opfer unterscheiden die Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September 2001 von anderen kriegerischen Akten. Das Besondere an ihnen ist die Tatsache, dass sie auf dem Territorium der USA stattfanden. Nicht die friedliebende und Freiheit-spendende Verfaßtheit der USA wurden dabei erschüttert, sondern der feste Glaube an die eigene militärische Unverwundbarkeit.
Der als Antwort auf die Anschläge vom 11.9.01 ausgerufene (Welt-)Krieg hat nicht das geringste mit einem »Kampf gegen den Terror« zu tun. Weder die USA noch die Alliierten haben in den letzten 50 Jahren Krieg geführt, um Terror und Gewalt zu bekämpfen, sondern das Monopol darauf zu behaupten. Ein Monopol auf Terror und Zerstörung, das Voraussetzung dafür ist, imperiale und kapitalistische Interessen auch ganz ›friedlich‹ durchzusetzen.

aus dem Inhalt
Vorwort
Der US-alliierte Krieg gegen den Irak 1991
UN- Beschluss 889
Der Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999
Staatsterrorismus
Die Militarisierung der Erinnerung –
die deutsche Geschichte als Kriegs(an-)drohung
Welche (neuen) Männer braucht das Land? Krieg als Männerschmiede
Genua – im Windschatten der Kriege
Von der »Weltinnenpolitik« zum World-Trade-War
Bekanntmachung der Allianz
gegen den Terror
Antideutsche Kriegsführung.
Ein Lehrgang für AnfängerInnen und Fortgeschrittene

Ein weiterer Krieg der Feinde unserer Feinde?
Beitrag der bundesweiten Koordination ›Krieg ist Frieden‹
»Step by step« – Deutschland auf dem Weg in den Krieg

 
»›Nie wieder Auschwitz – Nie wieder Krieg‹ diese Parole galt jahrzehntelang als fester Konsens der westdeutschen Linken. Wolf Wetzel zeigt nun in seinem Buch ›Krieg ist Frieden‹ den langen und folgenreichen Prozeß auf, indem dieses Prinzip auf den Kopf gestellt wurde. Politisch ging es darum, Deutschland nach dem Fall der Berliner Mauer und der Implosion der DDR wieder zu einem normalen, das heißt kriegsbereiten und kriegsführenden Staat zu machen. Das ideologische Muster war einfach und simpel: die Verhinderung eines angeblichen zweiten Auschwitz sollte als Kriegsgrund für stinknormale imperialistische Kriege salonfähig gemacht werden; die politische Durchsetzung dieses Stickmusters ging jedoch nicht so einfach und reibungslos über die Bühne sondern konnte erst in einem langen Prozeß salonfähig gemacht werden. Dieser Prozeß vollzog sich über verschiedene Etappen mit durchaus wechselnden Akteuren. Wetzel legt allerdings kein geschlossenes, durchgehend argumentierendes Buch vor, sondern reiht kaleidoskopartig verschiedene Essays, Chroniken, ironische Parodien und Dokumente aneinander.

Am Beginn steht die Haltung vieler Linker zum ersten Irak-Krieg. Auf einer großen Veranstaltung am 31.1.1991 in Frankfurt deuteten die damaligen Protagonisten der Wende, Dan Diner, Mischa Brumlik sowie Detlef Claussen und Hans Magnus Enzensberger den Irak als das Deutschland von 1939. ›In den Millionen von Arabern entdeckte man die Millionen von Deutschen, die Hitler bedingungslos und blind zujubelten. Die republikanischen Garden wurden zur Nachfolgeorganisation der SS/SA und der Überfall auf Kuwait reihte sich schließlich und endlich nahtlos in den deutschen Überfall auf Polen ein.‹ Im Gleichklang wurde praktisch über Nacht ein alter Verbündeter des Westens zu einem gefährlichen Diktator und Dämon umstilisiert. ›Ab dem 2.8.1990 schien allen klar zu sein: Saddam Hussein ist ein ‘brutaler Diktator’ (G. Bush), ein ‘Feind, der niedergekämpft werden muß’ (Mischa Brumlik), ein ‘Aggressor’ mit einer nie ‘dagewesenen Verachtung für die Schöpfung’ (Richard von Weizäcker), ein ‘orientalischer Despot’, der ‘nichtkalkulierbar, nicht vorhersehbar […] nicht vertragsfähig’ ist (Dan Diner), ‘Hitlers Wiedergänger’ (Hans Magnus Enzensberger), der ‘Irre von Bagdad’ (BILD-Zeitung)“. Keine Frage, die 8 Scud-Raketen, die Hussein auf Israel abfeuern ließ, schlugen nicht nur in Israel real, sondern ebenso in der deutschen Linken imaginär ein. Mußte mensch nicht diesem Mörder und Antisemiten in den Arm fallen? Diese rhetorische Frage in den Raum gestellt diente dazu, das ›Wer‹ und das ›Wie‹ zu überspielen und vor allem das Schweigen großer Teile der Linken zum Überfall auf den Iran 1980 vergessen zu machen. ›Nicht etwa 1980, als das irakische Militär den Iran überfiel, entdeckten die Enzensbergers ‘Hitlers Wiedergänger’, sondern 1990,als in der ‘freien Welt’ in einer Art synchronisierten Fassung alle Uhren auf 5 vor 12 gestellt wurden.‹ Bereits während des ersten Irak-Krieges 1991 sollte sich Auschwitz als ausgezeichneter Kriegsgrund erweisen. Daß gleichzeitig alle Lügen und Propagandamärchen der USA stillschweigend geschluckt werden mußten, die sich Jahre später als reine Fälschungen und Fehlinformationen entpuppten (dieses Mal, beim zweiten Irakkrieg, platze der angebliche Kriegsgrund ›Massenvernichtungswaffen‹ schon nach wenigen Wochen, ja Tagen) lag in der Logik dieser Position. Erinnern wir uns noch? Damals wurde unverschämt das Märchen vom sauberen Krieg aufgetischt. ›Wochenlang flimmerte der US-alliierte Krieg gegen den Irak als Computersimulation über die Bildschirme des freien Westens: Eine schemenhafte, bösartige ‘Metastase’, ein messerscharfes Fadenkreuz, ein chirurgischer Eingriff. Eine Medizin, die dem Menschen dient.‹ Tatsächlich wurde die reguläre Irakische Armee regelrecht abgeschlachtet.

Sehr interessant finde ich Wetzels Überlegungen zum ›Horror vor den ewigen Verlierern‹. Kriegsbegeisterung gab und gibt es selbstverständlich auch in der sogenannten zivilisierten, westlichen Welt. Thatcher brachte ihr Falkland Feldzug einen überwältigenden Wahlsieg ein, amerikanische Flaggen zieren insbesondere nach dem 11. September in großem Maße Häuser, Wohnstuben und T-Shirts, und die Welle des Patriotismus hat in den USA ungeahnte Ausmaße angenommen. Doch, wie Wetzel ausführt, die Kriegsbegeisterung in den USA war Ausdruck von Macht, Herrschaft und Überlegenheit; sie trug keine Züge der Verzweiflung, der Demütigung und der Aussichtslosigkeit. Im Gegensatz dazu ist die Kriegsbegeisterung der ›ewigen Verlierer‹ durch Perspektivlosigkeit gekennzeichnet. Diese Art der Kriegsbegeisterung macht Angst, da sind nicht die kühlen Strategen des Pentagon am Werk, sondern unberechenbare, vormoderne und oftmals religiös inspirierte Kämpfer. Nein, folgendes Zitat stammt nicht aus einem antideutschen Dutzendartikel, sondern findet sich im ›Spiegel‹ vom 6/1991, Autor: H.M. Enzensberger: ›Ewige Verlierer gibt es in allen Himmelsrichtungen. Unter ihnen nimmt das Gefühl der Demütigungen und die Neigung zum kollektiven Selbstmord mit jedem Jahr zu.‹ Kommentar von Wolf Wetzel: ›Angst macht ihnen nicht diese imperiale Weltordnung, sondern die Vorstellung, diese könne unkontrollierbar werden und sich gegen die Architekten selbst wenden. Was dieser Weltordnung immanent ist, muß in der dämonischen Gestalt eines Hitlers oder Husseins abgespalten werden, um sie aus der Dutzendware westlich hofierter Diktaturen abzuheben.‹« Grundrisse o.J.

Informationen zu der Autor*in

Wolf Wetzel war Autor der ehemaligen autonomen L.U.P.U.S.- Gruppe, die seit 1986 autonome Theorie mit praktischen Fragen des Alltags verband (Startbahnbewegung 1980-1991, Libertäre Tage in Frankfurt/M. 1987, Anti-Repressions-Kampagne 1987-90, Anti-Golfkriegskampagne 1991, Bundestagsblockade gegen die Abschaffung des Asylrechts 1993, Aufruf zur Verhinderung des grünen Sonderparteitags zum Krieg gegen Jugoslawien 1999)
Sie veröffentlichte bisher Texte u.a. in den Zeitschriften Schwarzer Faden, Die Aktion, ak, atom, Links, taz, diskus, radikal, swing, die Beute, Interim, Jungle World, Junge Welt.
1991 erschien in der Edition ID-Archiv der Textbeitrag: ›Doitschstunde – Orginalfassung mit autonomen Untertiteln‹ in dem Buch: ›Metropolen(gedanken) & Revolution?‹
1992 erschien in der Edition ID-Archiv das Buch: ›Geschichte, Rassismus und das Boot - Wessen Kampf gegen welche Verhältnisse‹
1994 erschien in der Edition ID-Archiv das Buch: ›Lichterketten und andere Irrlichter – Texte gegen finstere Zeiten‹
2001 erschien im Unrast-Verlag das Buch: ›Die Hunde bellen…Von A bis (R)Z. Eine Zeitreise durch die 68er Revolte und die militanten Kämpfe der 70er bis 90er Jahre‹
2002 erschien im Unrast-Verlag das Buch: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ...
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