Fesselnder Roman über Unterdrückung und Auflehnung in einem kurdischen Dorf

Dono

Roman
Aus dem Kurdischen von Barbara Sträuli
ISBN: 978-3-89771-851-7
106 Seiten, Hardcover

13,00 

Kategorie:

Fesselnder Roman über Unterdrückung und Auflehnung in einem kurdischen Dorf.

Die Bewohner des Dorfes Dono leben in feudalistischen Strukturen, unterdrückt und ausgebeutet von einem Aga, der nicht nur das gesamte Land besitzt und ihnen durch die Anschaffung eines Mähdreschers die Arbeit nimmt, sondern der auch die Macht hat, mißliebige Bewohner zu schlagen oder aus dem Dorf zu jagen. Doch auch der Aga hat sich an die überlieferten Regeln zu halten. Als er eine junge Frau gegen ihren Willen zur Drittfrau nimmt und seinen Berater der Polizei ausliefert, sind seine Tage gezählt.
Skurrile Figuren, dramatische Szenen und amüsante Episoden machen den Roman zu einem Lesevergnügen erster Güte.

»Zugegeben. Ich las das Buch ohne Genaueres über die Kultur und Geschichte der Kurden zu wissen. Bestenfalls ein vages Wissen davon, daß es eine Geschichte der Verfolgung ist. Angenommen, dies sei die Perspektive der meisten deutschen Leser und Leserinnen, so wäre der Roman Dono ein guter Anfang, um etwas mehr über kurdische Kultur und Geschichte in Erfahrung zu bringen. Denn dies leistet das Buch: es erzählt auf spannende, unterhaltsame und kluge Weise …

In drastischen Bildern schildert Baksi die unerträglichen Geschlechterverhältnisse in der traditionellen Vielehe, und er zeigt die gnadenlose Unterdrückung der Frauen, die von Bauern wie Patriarchen wie Waren gehandelt und angeeignet werden. Er zeigt aber auch starke Frauen, die sich durchaus zu wehren wissen, wie die 14-jährige Aso, die den Großgrundbesitzer Haci Zorav im letzten Augenblick regelrecht entmannt, bevor er sie mit einem glühenden Eisen brandmarken kann. Eine schreckliche Szene, in der die gesellschaftliche Gewalt, die der Roman auf verschiedenen Ebenen ausleuchtet, zu einem Höhepunkt sich steigert. Und genau hier der verblüffende Ausweg: das Mädchen Aso wehrt sich in der ausweglosen Situation und kann sich befreien. Hoffnung am tiefsten Abgrund. (…) 

Baksi schreibt den Roman im Sinne einer kritischen Erinnerungskultur. Das heißt, Geschichte und Tradition werden in literarischer Erinnerungsarbeit kritisch-reflexiv fortgeschrieben. Die Grundthese des Romans „Dono“ kreist um die Möglichkeit von politischem Widerstand in einem Unrechtsregime. Ausgehend von der Frage, warum das kurdische Volk der Unterdrückung durch das türkische Regime keinen erfolgreichen Widerstand entgegen zu setzen vermag, untersucht Baksi in seinem Roman zunächst die historischen Wurzeln und die verpassten Chancen von Widerstand in der ländlich-abgeschiedenen und überholungsbedürftigen kurdischen Feudalgesellschaft selbst. Baksi sucht nach den geschichtlichen Möglichkeiten des Aufbegehrens der Bauern gegen die Großgrundbesitzer – kurdisch: „Agas“, welche die Bauern hemmungslos und trickreich ausbeuten, ihnen mit Hinterlist und offener Gewalt ihr Hab und Gut abschwatzen oder schlicht stehlen.« Angela Delissen – Lorretas Leselampe

Leseprobe

Haci Zorav war ein Enkel Scheich Evdilhekims. Scheich Evdilhekim wiederum stammte ursprünglich vom Stamme der Pencînar. Im Xerzantal hatte es nie einen größeren Scheich gegeben. Sein Schrein galt im Volk als ein Ort der Heiligen, der Propheten, der Erleuchteten.
Scheich Evdilhekim war der geistliche Nachfolger von Scheich Ehmedê Xiznayê. Zu seinen Lebzeiten war dieser Scheich Ehmed als Prophet verehrt worden. Seine Nachfolge anzutreten, galt als äußerst ehrenvoll.
Als Scheich Evdilhekim noch ein Kind war, starb sein Vater. Trotz Armut und Hunger ließ ihn sein Bruder studieren. So wurde Evdilhekim mit zehn Jahren Koranschüler und schlief in der Moschee. Er war ein fleißiger Schüler, sog gierig alles Angebotene auf, und sein Lehrer hatte ihn sehr gerne. Mit dessen Hilfe wurde er nach seinen Prüfungen Mele in Teliba.
Zu jener Zeit herrschte große Rivalität unter den Scheichs von Kurdistan. Die berühmten Scheichs und die großen Agas machten sich daran, das Land Kurdistan und seine Güter Handbreit um Handbreit unter sich aufzuteilen.
Die Meles beteiligten sich an diesem Wettlauf. Für ein Stück Brot waren sie bereit, für die Scheichs die Trommel zu rühren. Doch die Scheichs wußten nicht zu teilen, sie nahmen alles für sich. Jeder schlaue Scheich hielt zudem Ausschau nach weiteren tüchtigen Meles. Mele Evdilhekim war einigen Schülern von Scheich Ehmedê Xiznaiyê aufgefallen. Sie sandten Scheich Ehmed Nachricht, und es dauerte nicht lange, da lud er Evdilhekim zu sich ins Dorf Binê Xetê ein.
Evdilhekim diente Scheich Ehmedê Xiznayê fast fünf Jahren lang. Monatelang lebte er allein in einer Höhle. Er gewöhnte sich an Dunkelheit, ans Erdulden, an Geheimnisse und Angst. Er verbesserte sein Arabisch, las dicke Bücher über Logik, Dialektik und Astronomie und lernte sie auswendig. Während all der Jahre übte er sich im Handwerk eines Scheichs, die dazugehörige Macht und Niedertracht eingeschlossen.
Und der Tag kam, an dem er Scheich Ehmedê Xiznaiyê die Hand küßte und die Erlaubnis zur Lehre erhielt. Nun war er kein gewöhnlicher Mele mehr, sondern selber ein Scheich. In kurzer Zeit sammelte er Hunderte von Jüngern um sich. Mit seiner Unterstützung wurde der Orden von Scheich Ehmedê Xiznaiyê im Xerzantal täglich mächtiger.
Aber Scheich Evdilhekim verdankte seinen Ruhm nicht allein seinem Amt als Stellvertreter von Scheich Ehmed. Eines Tages nämlich brach Evdilhekim mit zwei seiner Jünger nach Mekka auf. Zu jener Zeit dauerte die Pilgerfahrt Monate. Nach beschwerlicher Reise gelangten die drei Männer ans Ziel. Es war Sommer, die Stadt kochte in der Hitze. Hunderttausende umkreisten die Kaaba und küßten den schwarzen Stein. Tausende erkrankten schwer oder starben an Hitze und Durchfall.
In einem Laden in Mekka sah Scheich Evdilhekim zum ersten Mal in seinem Leben elektrische Taschenlampen, die durch Batterien gespeist wurden. Zunächst erschrak er sehr und traute sich nicht, sie anzufassen. Doch nach einigen Tagen des Nachdenkens kehrte er in den Laden zurück, kaufte sich drei Lampen und verbarg sie im Gewand. Die kleinen Lämpchen vor dem Schwarzen Stein in Mekka hatten auch im Kopf des Scheichs ein Licht entzündet. Das Spiel konnte beginnen.
Nach einigen Monaten kehrten der Scheich und seine Jünger in die Heimat zurück. Als sie ins Xerzantal gelangten, versteckte sich der Scheich in der Nähe des Dorfes, und seine Jünger gingen allein weiter. Es war die Zeit des Abendessens, und Dunkelheit senkte sich auf die Erde. Mit der Hilfe der Koranschüler versammelten die zwei Jünger die Dorfbevölkerung in der Moschee. Die Leute hatten lange voller Hoffnung auf die Rückkehr des Scheichs gewartet – vergeblich. Denn seine Jünger gaben nun in tiefer Trauer sein Ableben bekannt. Die Bauern begannen zu schluchzen und zu schreien. Einige Koranschüler rezitierten Verse und verfielen in Trance. Die Moschee verwandelte sich in ein Tollhaus und blieb es für Stunden. Um Mitternacht führten die zwei Jünger die Bauern zum Haus des Scheichs, dessen Fenster weit offen standen. Plötzlich verbreitete sich göttliches Licht im Zimmer. Das lange grüne Gewand des Scheichs erglänzte im Licht der elektrischen Lampen. Den Dörflern stockte der Atem, manche bissen sich auf die Zunge vor Schreck.
Dieses Ereignis wiederholte sich während mehrerer Nächte. Alle Bauern im Xerzantal machten sich nach Teliba auf, um des Wunders teilhaftig zu werden und das Licht mit eigenen Augen zu sehen. In kurzer Zeit gewann Scheich Evdilhekim so Tausende von Jüngern …


Zur Buchreihe:

Die von Yusuf Yesilöz herausgegebene Edition arArat ist die Fortführung des engagierten Schweizer Ararat-Verlages. Mit dieser neuen Edition verfolgen der Herausgeber und der Unrast Verlag das Ziel, anspruchsvolle kurdische Literatur im deutschsprachigen Raum zugänglich zu machen.

Haydar Isik – Die Vernichtung von Dersim
Mahmut Baksi – Dono
Suzan – Samanci – Schnee auf schroffen Bergen

Helîm Yûsiv – Der schwangere Mann

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Informationen zu der Autor*in

wurde 1944 in Kozluk (Kurdistan/Türkei) geboren. Nach dem Militärdienst wurde er Journalist. Er zog nach Istanbul, wo sein erstes Buch 1968 auf Türkisch erschien. Das Buch über das Leben der Kurden in der Türkei wurde verboten, ebenso das nächste Buch des Autors. Mahmut Baksi verbrachte einige Zeit in Polizeihaft, wurde dann freigelassen und kam 1970 illegal nach Deutschland.
1971 stellte die Militärjunta einen Auslieferungsantrag für Mahmut Baksi. Er fand politisches Asyl in Schweden, wo er seither lebt und arbeitet. Als Schrifteller und Journalist befasste er sich hauptsächlich mit der Kurdenfrage, dem Mittleren Osten und Immigrationsproblemen. Er arbeitet für Zeitungen, Radio und Fernsehen. Mahmut Baksi veröffentlichte 21 Bücher, viele davon für Kinder. Sie erschienen in dänischer, deutscher, englischer, kurdischer, norwegischer und türkischer Sprache. Einige seiner Kurzgeschichten wurden in Schulbüchern veröffentlicht und für den Rundfunk und das Theater dramatisiert.Sein Jugendroman " In der Nacht über die Berge" erhielt 1998 den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis sowie den Schweizer Jugendbuchpreis. Baksi schrieb außerdem Liedtexte für den kurdischen Sänger Sivan Perwer.