Ein neuer dekolonialer Blick auf lateinamerikanische Gesellschaften, Sprache, Bilder und Diskurse

Ch’ixinakax utxiwa

Eine Reflexion über Praktiken und Diskurse der Dekolonisierung
Aus dem Spanischen übersetzt von Silke Steiml und Emin Günaydin, hrsg. von Sebastian Garbe, María Cárdenas und Andrea Sempertegui
ISBN: 978-3-89771-257-7
147 Seiten, softcover

12,80 

Silvia Rivera Cusicanqui entwickelt in drei Essays eine neue, radikal dekoloniale Perspektive auf die bolivianische Gesellschaft.

Im ersten Essay schließt sie ausgehend von den Kämpfen 2000–2005 auf die indigenen Aufstände von 1781, die sie dem indigenen, spiralförmigen Zeitverständnis folgend verbindet.

Im zweiten Essay entwickelt sie anhand der Interpretation der Zeichnungen des Chronisten Wuman Puma de Ayala aus dem 17. Jahrhundert eine ›Sociología de la imagen‹, eine Bildsoziologie. Sie macht klar, wie die Kolonisierung und die Übernahme der Kolonialsprache die Interpretation der Welt und das eigene Denk- und Wertesystem verändert hat und soziale Missstände so nicht mehr denk- und ansprechbar sind. Bilder und deren Interpretation ermöglichen eine alternative Betrachtung der Verhältnisse und beinhalten dadurch enormes emanzipatives Potenzial.

Im dritten Teil setzt sich Cusicanqui mit der Geschichte der vermeintlichen ›Inklusion‹ indigener Menschen auseinander und übt Kritik an gängigen Theorien wie dem Multikulturalismus, aber auch der Dekolonisierungstheorie. Beide sind nicht nur durchzogen von elitären Strukturen und Teil eines internen Kolonialismus, sondern auch unfähig, von der Theorie in eine dekoloniale Praxis überzuleiten. Auf den letzten Seiten umreißt die Autorin das Konzept des Ch’ixi, vereinfacht gesprochen, die Anwesenheit zweier Komponenten, die sich vermischen, ohne sich dabei aufzulösen.

Ergänzt wird das Buch durch Cusicanquis umfangreichen und bislang ebenfalls unveröffentlichten Artikel »Der Rechtediskurs und die Paradoxe postkolonialer Moderne«.

»Auf eine erfrischende Weise reflektiert Silvia Rivera Cusicanqui aktuelle Praktiken und Diskurse der Dekolonisierung.« – Robert Swoboda, Lateinamerika Nachrichten

Informationen zu der Autor*in

Silvia Rivera Cusicanqui lebt in La Paz (Bolivien) und arbeitet dort als Soziologin und Dozentin der Universidad Mayor de San Andrés. Sie hat zahlreiche Arbeiten im Bereich Politik und Soziologie veröffentlicht, die meisten von ihnen mit Fokus auf Bolivien. Sie gehört der ›Bevölkerungsgruppe‹ der sogenannten Mestiza (Menschen mit europäischen und indigenen Vorfahren) an, was sich eindeutig in ihren Texten widerspiegelt. Anfang der 1980er Jahre gründete sie die THOA. Diese Gruppe beschäftigt sich hauptsächlich mit der Geschichte und Kultur des andinen Raums und setzt sich dafür ein, dem gesprochenen Wort (der oralen Geschichte) eine größere Bedeutung zukommen zu lassen. Besonders im universitären Raum sehen die Mitglieder hier großen Nachholbedarf. Des Weiteren macht Cusicanqui darauf aufmerksam, dass auch (geschichtliche) Abbildungen nicht den Stellenwert eingeräumt bekommen, der ihnen zusteht. Zu diesem Thema veröffentlichte sie vor nicht allzu langer Zeit ihr Buch Sociología de la imagen. Als Aktivistin arbeitet Rivera Cuiscanqui mit indigenen Gruppen zusammen und orientiert sich unter anderem am Anarchismus und an dekolonialen Praktiken und Theorien.