»Im Oktober 2023 jährt sich die Hausbesetzung in der Frauenstraße 24 in Münster zum fünfzigsten Mal. Passend dazu ist soeben im Unrast-Verlag das Lesebuch Frauenstraße 24 – Geschichte einer erfolgreichen Besetzung erschienen. Geschrieben und herausgegeben haben das Buch Rita Weißenberg, ehemalige Bewohnerin der Frauenstraße 24, Bernd Uppena, von 1977 bis 1981 Sprecher der Hausgemeinschaft Frauenstraße 24, und Joachim Hetscher, seit 2017 Vorsitzender des Kulturvereins Frauenstraße 24. Und um es vorwegzunehmen: Ihnen ist damit auf 352 Seiten ein großer Wurf gelungen.
Die Besetzung der Frauenstraße 24 in Münster im Jahr 1973 war eine der ersten und eine der wenigen nachhaltig erfolgreichen Hausbesetzungen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Erhalt des Hauses konnte nach einem langen politischen Kampf 1981 endgültig gesichert werden. Weit über die Stadt Münster hinaus ist die ›F24‹ bis heute ein Symbol für den Widerstand gegen Immobilienspekulation und für die Möglichkeit, durch soziale Bewegung und kreative Aktionen Wohn- und Lebensraum zu erhalten und selbstverwaltet zu gestalten. Wie es dazu kam und wie die rund achtjährige Besetzung verlief, zeichnet das Buch anschaulich nach. Die etwa 70 Seiten lange Chronologie der Ereignisse liest sich wie ein Krimi.
Mit dem Kauf der Frauenstraße 24 durch den Münsteraner Makler Stürmer 1971 fing alles an. Sein Ziel war es, das Haus abzureißen und statt dessen profitable Eigentumswohnungen zu errichten. Durch das Zerstören der Infrastruktur des Hauses sollten die Bewohnerinnen und Bewohner aus den Wohnungen vertrieben werden. Doch mit der Hilfe von vielen Unterstützerinnen und Unterstützern wurde die Frauenstraße 24 zu einem öffentlichen Projekt. Am 3. Oktober 1973 – eine Zeit größter Wohnungsnot in Münster – beschlossen Studierende auf Initiative des AStA der Universität, das Haus dauerhaft zu besetzen. Im Erdgeschoss des Hauses etablierte sich die Kneipe mit der AStA-Zimmervermittlung als wichtige Anlaufstelle und soziokulturelles Zentrum. Hier fanden auch viele Konzerte statt.
Makler Stürmer und zwei weitere Spekulanten versuchten in den Folgejahren mehrmals, den Abriss doch noch durchzusetzen. Aber sie bissen sich an der Frauenstraße 24 die Zähne aus. Und das, obwohl sie über beste Kontakte verfügten: zum CDU-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Jahn, der von CDU-Leuten dominierten Stadtverwaltung und der mit einer satten Mehrheit ausgestatteten CDU-Ratsfraktion, die Jahr für Jahr die Abbruchgenehmigung für das Haus verlängerte. Besonders spannend ist das Buch bei der Schilderung der entscheidenden Schlussphase der Besetzung, als alles Schlag auf Schlag ging, bis die Frauenstraße 24 im Jahr 1981 auf dem Weg des Ankaufs durch die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (inzwischen unter dem Namen LEG Immobilien privatisiert) auf Geheiß der damaligen SPD-Landesregierung erhalten wurde. Inzwischen steht das Haus unter Denkmalschutz.
[…] Durch den Druck von der Straße mit vielen phantasievollen Aktionen, immer mit dem Blick auf das Ziel, das Haus zu erhalten, immer im Zusammenhang mit der Wohnungssituation in der Stadt, immer entlang der Frage, dass Wohnen ein Menschenrecht ist und keine Frage der Spekulation, die man dem Profitinteresse überlassen darf, wurde die Frauenstraße 24 zu dem Symbol, das sie heute ist. Im Herbst zeigt das Stadtmuseum Münster passend zum 50. Jahrestag der Besetzung eine Sonderausstellung zu ihrer Geschichte.« – Hubertus Zdebel, junge Welt 14.08.2023