Viele Akteure in Zivilgesellschaft und politischer Bildung neigen dazu, die autoritäre und verkürzte Logik der Deradikalisierung zu übernehmen, welche derzeit das Erbe der Extremismusdoktrin antritt. Es ist eine Doktrin, die Radikalität als Bedrohung eines guten Zusammenlebens und Radikalisierung als beinahe universelle Chiffre für das Böse betrachtet. Die vermeintlich befriedende Kraft der Deradikalisierung versucht jene, die auf ihrem Verlangen nach einem ganz anderen Ganzen beharren, zu bändigen. Fördermittellogiken, Sachzwänge, die Notwenigkeit von Bündnispartner*innen und nicht zuletzt Repression hindern sie daran, aufs Ganze zu gehen.
Dabei ist Radikalität unerlässlich, um ein gutes Leben für alle überhaupt erst möglich zu machen. ›Radikal‹ ist eine Kritik der bestehenden Verhältnisse, wenn sie sich nicht nur an der Oberfläche abarbeitet, sondern nach Ursachen sucht – und eine Praxis verfolgt, die auf die Beseitigung dieser Ursachen ausgerichtet ist. Daher rufen die Herausgeber*innen: »Radikalisiert euch!« – im Alltag, im Aktivismus, in der Kritik. Aktivist*innen, in linken Projekten Beschäftigte, kritische Wissenschaftler*innen und Sympathisant*innen verschiedener sozialer Bewegungen diskutieren in diesem Sammelband, wie die Deradikalisierungslogik kritisiert und emanzipatorische Radikalisierungsprozesse in Gang gesetzt werden können.
Mit Beiträgen von Felix Klopotek, Lukas Holfeld, Krisis, Katze und Fliege, Michel Raab, Julika Bürgin, Sarah Schulz, Hanna Poddig, Maria Neuhauss, Soli-Asyl Thüringen, Markus Beinhauer und Karl Meyerbeer.