»Der zweite Teil des Comics der französischen Autorin Emma beschäftigt sich nicht mehr (nur) mit Zumutungen des Alltags, sondern legt den feministischen Fokus nun auf Mythen und falsche Glaubenssätze. Zu lesen gibt es neun neue Comics zu Themen aus dem Spektrum Geschlechterhierarchien, Stereotype, Sexismus und anderen sozialen Ungleichheiten. Und: wie auch schon beim letzten Mal ist das Ganze ansprechend und einfallsreich illustriert.
So geht es dieses Mal um Grenzüberschreitungen, die FLINTA* von Kindesbeinen an besonders betreffen, die aber weder als solche, noch als übergeordnete gesellschaftliche Struktur (Stichwort: Rape Culture) wahrgenommen werden. Es geht um Objektivierungen und Widerstände hiergegen, Abhängigkeiten in Beziehungen, Sozialisation in gesellschaftliche Strukturen, die ihrerseits geschlechterbasierte Verhaltenserwartungen an FLINTA* stellen. Auch thematisiert werden Verhältnisse zwischen Lohn- und Care- Arbeit, sowie geschlechterspezifische Rollenverteilungen, Mutterschaft und Vaterschaft, Privilegien und Benachteiligungen. Und immer wieder werden Bezüge zu den Themen Mental Load, Alltagssexismus und Gegen-Bewegungen wie #metoo hergestellt. Aber auch eine Richtigstellung des Mythos der Polizei als Freund und Helfer fehlt hierbei nicht: Ein wirklich bewegender Comic ist der um das Wirken des Ex-Cops Erik Blondin, den die Autorin selbst getroffen und dessen Lebensgeschichte sie somit aus erster Hand erfahren hat. Erik hat viele Jahre gegen rassistische Gewalt, Korruption und Seilschaften innerhalb der Polizei und deren strukturellen Ursachen angekämpft und sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes aufgerieben, ohne, dass dies etwas geändert hat. Die Geschichte gibt eindrucksvolle Einblicke in die Systematik dieses mächtigen Staatsapparates und zeigt die Gefahren und Schwachstellen der aktuellen Ausrichtung auf.
Da es in diesem Band um Mythen und falsche Glaubenssätze geht, darf es aber neben den eindrucksvollen eigenen und fremden biografischen Erfahrungen nicht an wissenschaftlichen Theorien und Studien fehlen. Dabei finden wesentliche Theorieansätze und aufschlussreiche Statistiken an vielen Stellen im Comic einen Platz und sind dabei so verständlich in die jeweiligen Geschichten eingebunden, beschrieben und illustriert, dass Leser*innen hier leicht Zugang zu bekommen. Ein sehr gelungener zweiter Teil der Reihe, den ich leider schon wieder viel zu schnell zu Ende gelesen habe, obwohl ich mir jeden Tag nur eine Geschichte zum morgendlichen Kaffee gönnte. So hoffe ich nun auf einen dritten Teil, in welchem Emma mich und all die anderen Leser*innen einen anderen Blick auf die Welt entwickeln lässt, so leichtfüßig und dennoch eindringlich mithilfe von feministischen Theorien, Geschichten über Widerstände und einem gehörigen Maß an Aufklärung. Richtig gut!« – Sabrina Lügt, Trust Fanzine #216, Oktober/November 2022
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