‘Im Fokus des Sammelbandes steht eine der prägendsten Konfliktlinien der sozialistischen Ideengeschichte. Ihrer Entwicklung soll anhand der zahlreichen Entzweiungen und Annäherungen innerhalb der feindlichen Verwandtschaft zwischen Marxismus und Anarchismus nachgespürt werden. Zwar lässt sich schon bei den geistigen Urhebern der beiden Strömungen – Marx und Bakunin – der Gegensatz zwischen „zentralistische[r] Parteipolitik [und] föderalistischen Basisbewegungen“ (32) nachzeichnen, der zu der landläufig assoziierten Grundunterscheidung zwischen einer Instrumentalisierung oder kategorischen Ablehnung des Staates führte. Dieser Simplifizierung kann aber durch Rekonstruktion der ideengeschichtlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede leicht entgegengetreten werden – immer wieder gibt es „Begegnungen“, in denen sich auch eine theoretische und praktische Kompatibilität anbahnte. […]
Die Spurensuche reicht bis in zeitgenössische Ansätze hinein, etwa in den Post-Operaismus oder in die Multitude-Debatte (Foltin), die trotz ihrer nur impliziten Bezugnahme auf klassische Positionen der „Gefahr der Selbstghettoisierung“ (180) nicht entkommen sind. Und so schließt der Band mit einer Art Plädoyer für eine Radikalität in pluralen Denkformen, denen das Ziel der Emanzipation gemeinsam ist und deren Ansätze als wechselseitige Korrektive dienen können, denn „[e]in Anarchist, der nicht gleichzeitig Sozialist ist, droht gleichsam zwangsläufig, sich zum Neo-Liberalen zu entwickeln“ (166).’
Alexander Struwe, pw-portal