»Obwohl es sich bei Aydin um einen Roman handelt, der sich durch eine eigene und handwerklich gelungene Komposition auszeichnet, ist der reale Gehalt unverkennbar. Es handelt sich in gewisser Weise um eine authentische Fiktion. Das macht der Autor durch den Ich-Erzähler deutlich, der die Perspektive des Neffen von Aydin einnimmt. Die intimen Einblicke in die Gedankenwelt eines trauernden Angehörigen, der mit der kalten Wut über die Ungerechtigkeit kämpft, die seinem Onkel widerfahren ist, geben der Migrationsgeschichte der ›Gastarbeiter‹ ein reales Gesicht. Diese Wut ist wie ein Motor seines Schreibens: ›Die Wut, und nur die Wut, liefert mir ein Alphabet, eine Sprache, um das hier zu schreiben.‹ Der Ich-Erzähler ist im Gegensatz zu seinem Onkel, der nie wirklich Bildung erhalten hat, fähig, die gesellschaftlichen Strukturen zu erkennen, die Aydin zu einem Außenseiter, zu einem nicht mehr Verwertbaren gemacht haben, bis er im Geburtsjahr des Erzählers abgeschoben wurde, nämlich 1990/91. ›Während in der neuen Hauptstadt die Mauer fiel und einige Bruchstücke als Souvenir eines Triumphs bewahrt wurden, um die Besiegten zu verspotten, sah Aydin bloß die hohen Gefängnismauern, die einem Ausschnitt von der Sperranlage um den Gazastreifen glichen.‹
Durch zeitgeschichtliche Einschübe und gesellschaftlichen Kontext, hebt er die individuelle Geschichte fortwährend auf eine allgemeine Ebene und lässt sie im nächsten Moment wieder ins Besondere von Aydins Leben fallen. Mensch und Gesellschaft sind miteinander verwoben. Darum ist der Roman Aydin für jeden, der heute in Deutschland lebt oder etwas über seine jüngste Geschichte verstehen will, ob migrantisch, post-migrantisch oder nicht-migrantisch, ein absolutes Muss.« – Karla Hecks, HUch-Magazin #93, 2022