Peter Nowak schreibt am 16.12.2011 in Neues Deutschland:
‘Ein neues Buch präsentiert verschiedene Argumente gegen Leiharbeit und blickt auch auf die Protestgeschichte gegen die moderne »Sklaverei«.
Wenn so viel über das deutsche Jobwunder geredet wird, darf nicht vergessen werden, dass es zum großen Teil auf dem Boomsektor Leiharbeit beruht. »Gerade in den weltmarktorientierten Unternehmen der Elektroindustrie wurden Leiharbeitskräfte zunehmend dauerhaft und auch in den Kernbereichen der Produktion eingesetzt«, heißt es in einer Studie der gewerkschaftlichen Otto-Brenner-Stifung.
Die beiden Berliner Journalisten Andreas Förster und Holger Marcks haben jetzt im Unrast-Verlag ein informatives Büchlein herausgegeben, das die kurze Geschichte der Leiharbeit in Deutschland nachzeichnet und schon im Untertitel aufklärt, dass es zu ihrer Abschaffung beitragen will. Was sich wie eine Utopie anhört, ist zumindest in Namibia umgesetzt worden. Dort hat der Oberste Gerichtshof nach anhaltenden Gewerkschaftsprotesten 2009 festgestellt, dass Leiharbeit mit Sklaverei gleichzusetzen und damit in dem südafrikanischen Land illegal ist. Ein solcher Gerichtsbeschluss ist in Deutschland nicht zu erwarten. Aber auch die Aberkennung der Tariffähigkeit der christlichen Gewerkschaften für Zeit- und Personalserviceagenturen (CGZP) durch das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember 2010 zumindest den schlimmsten Auswüchsen bei den Dumpinglöhnen Grenzen gesetzt. Die Leipziger Arbeitsrechtler Dirk Feiertag und Sosa Norena gehen in dem Buch auf die rechtlichen Folgen des Urteils ein.
Der Münsteraner Soziologe Torsten Bewernitz gibt einen kurzen Überblick über den Widerstand gegen die Leiharbeit. Er erwähnt Proteste gegen Leiharbeitsmessen und Jobbörsen, geht auf Leiharbeitsspaziergänge ein, bei denen bekannte Firmen aufgesucht wurden, und erinnert an den Streik bei einer Leiharbeitsfirma in Frankfurt am Main im Dezember 2005. Dass auch die Kampagne »Leiharbeit abschaffen« der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) in dem Buch erwähnt wird, verwundert nicht: Fünf der sechs Autoren sind FAU-Mitglieder.
Trotzdem bleibt ihre Kritik an der offiziellen Position des DGB sachlich präzise. So betonen mehrere Autoren, dass es innerhalb der DGB-Gewerkschaften Kritik an den Tarifverträgen gibt, die mit Leiharbeitsfirmen geschlossen wurden. »Ohne Tarifvertrag gilt für Lohnarbeiter der einfache wie einleuchtende Grundsatz Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Nichtstun wäre hier für seriöse Gewerkschaften die Devise gewesen, denn zum Vertragsabschluss gehören immer noch zwei«, formuliert Andreas Förster eine Kritik, die zunehmend auch in den DGB-Gewerkschaften zu hören ist. So hat das von der IG Metall initiierte Netzwerk »ZeitarbeiterInnen – ohne Organisation machtlos« (ZOOM) die vage Parole »Leiharbeit fair gestalten« durch die Forderung »Gleiche Arbeit – gleiches Geld« ersetzt. Damit das kein Papiertiger bleibt, müssen die Gewerkschaften genau beobachten, wo sich Angriffsstellen im Leiharbeitssektor zeigen, schreiben die Herausgeber im Nachwort. Ihr Buch kann dabei eine wichtige Hilfe sein.