»Das ist das Schwerpunktthema des Buches: Die Beteiligung der Frauen. Die Autorin beschreibt die Rolle der Frauen im kurdischen Kampf der 80er, der 90er Jahre und dann in diesem Jahrtausend. Die theoretische Grundlage lieferte Özalan 2003 – aber genau das zog dann 2014 den ›Islamischen Staat‹, von den Kurdinnen und Kurden auch lieber als ›Daesh‹ bezeichnet, an: Dem Modell des IS widerspricht das Modell des ›Demokratischen Föderalismus‹ in Rojava (Westkurdistan / Syrien) diametral. Der IS ist zentralistisch, Rojava besteht aus drei oder vier Kantonen, die jeweils sich selbst regieren. Der IS ist religiös, Rojava ist säkular, man darf hier Muslim oder Christ oder Jeside oder religionslos sein. Der IS wird von einem Mann geführt, dem ›Kalif‹, Rojava hat auf allen Ebenen eine Doppelspitze und eine Frauenquote für alle Gremien.
Die Autorin spricht aber auch kritische Fragen an: Es gibt in Kurdistan / Türkei (Bakur) ebenso wie in Kurdistan / Syrien (Rojava) einen ausgeprägten Personenkult, überall hängen Bilder von Abdullah Özalan. Die weiblichen Mitglieder der Doppelspitzen sind vielerorts kaum bekannt. Frauen reden bei den Versammlungen auffällig wenig. Man sieht kaum weibliche Autofahrerinnen, es gibt kaum Firmengründerinnen in Rojava. Man weiß auch kaum, wie Meinungsverschiedenheiten in Rojava gelöst werden: Gibt es wirklich offene Diskussionen und Abstimmungen? Oder gibt es Anweisungen der PKK-Zentrale in den Kandil-Bergen? Die Autorin sieht die Schwierigkeiten, demokratische Prozesse in einem Krieg zu etablieren und rät dazu, die Entwicklung kritisch zu beobachten, wenn der Krieg vorbei ist. Aber sie legt sich vollkommen fest, auf welcher Seite sie steht.« – Reinhard Pohl, Gegenwind, Juli 2017