»Die meisten Linken verbinden anarchistische Literatur wahrscheinlich mit ein paar Klassikern aus der Feder der grimmigen bärtigen Männer des 19. Jahrhunderts und der einen oder anderen Biografie. Das kommt wohl daher, dass man in den letzten Jahren den Eindruck gewinnen musste, dass die anarchistische Theorieproduktion selten über die Wiederholung und Adaptierung des ewig Gleichen hinausgegangen ist. Gabriel Kuhn stellt hier eine Ausnahme dar. Er bemüht sich, anarchistische Theorie auf Höhe der Zeit und in Auseinandersetzung mit anderen, beispielsweise poststrukturalistischen Ansätzen zu betreiben. Ein Teil seiner Gespräche und Aufsätze, die häufig nur online erschienen sind, kann nun in einem Sammelband nachgelesen werden. Das Buch gewährt einen Einblick in die ›inner-anarchistischen‹ Auseinandersetzungen und Debatten, die vielen wahrscheinlich gänzlich unbekannt sind. Kuhns Aufsätze sind stets undogmatisch und mit teils beißender Kritik an individualanarchistischen Milieus versehen, insbesondere, wenn er betont, dass es auch für Anarchist_innen außer Streit steht, Organisationen aufzubauen, die in der Gesellschaft verankert sind. Damit formuliert er grundlegende Überlegungen zur politischen Praxis, die für die radikale Linke insgesamt von Bedeutung sind. Das einzige Manko ist, dass es – zwar nicht mehr grimmige und bärtige – aber doch ausschließlich Männer sind, die hier miteinander beziehungsweise über die Texte andere Männer reden.« – Leo Kühberger, analyse & kritik 629, 15. August 2017