Die Wohlgerüche des Orients – der Knoblauch stinkende Türke, die erotischen Harems- Schleier – die unterdrückte Kopftuchtürkin. Bilder und Gegenbilder über Orient und Islam sind vielfältig – und nicht neu. Sie werden seit Jahrhunderten überliefert und sind Teil des west-europäischen Kulturgutes. Seit Ende des kalten Krieges zwischen Ost und West greifen die USA wie Europa auf diese alten Bilder zurück. Sie definieren heute wie damals das eigene Selbstverständnis in Abgrenzung zum ›Anderen‹. Wie bereits im Mittelalter sind heute religiös begründete Unterschiede zwischen Ost und West bedeutsamer als systembedingte. Sie legitimieren politische Entscheidungen und erfahren auf Grund der tradierten Bilder Rückhalt in der Bevölkerung.
Nicht zuletzt auf Grund der Widersprüchlichkeit der Bilder regt sich Protest dagegen. Interreligiöse Dialoge und die Unterscheidung zwischen guten und bösen Moslems sind derzeit verbreitet. Sie zeugen zwar vom guten Willen, ändern jedoch nichts daran, dass ›die Anderen‹ weiterhin als grundsätzlich verschieden wahrgenommen werden. Demgegenüber setzt der vorliegende Sammelband an der Konstruktion des Gegenbildes Orient bzw. Islam an und legt die dahinter liegenden Interessen offen.
Aus dem Inhalt
Kulturrassismus und Gesellschaftskritik.
Iman Attia
Theoretische Einführungen
Orientalismus und postkoloniale Theorie.
María do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan
Orientalism. Zum Diskurs zwischen Orient und Okzident.
Reinhard Schulze
Historische und geographische Lokalisierungen
Historische Phasen orientalisierender Diskurse in Deutschland.
Nina Berman
Das Gesetz des Teufels und Europas Spiegel. Das christlich-westeuropäische Islambild im Mittelalter und der Frühen Neuzeit.
Almut Höfert
Orientalismus macht Geschichte: Zum Beispiel die Entstehung des Orientaldespoten im Deutschland der Spätaufklärung aus dem Geiste europäischer Expansion in Indien.
Jürgen Krämer
Der ›Orient‹ als Raumkonstruktion der Geographie.
Sybille Bauriedl
Kulturelle Tradierungen
Das musikalisch geprägte Türkenbild.
Margret Spohn
Schwindel erregende Ausschweifungen, süße Chimären. ›Die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht‹ und ihr europäisches Publikum.
Andreas Pflitsch
»Land des Lichtes oder der Finsternis«. Der Maler Wilhelm Gentz und der ›Orient‹.
Karin Rhein
Karl May im Kontext von Kolonialismus und Auswanderung.
Nina Berman
Der abonnierte Orient. Exotismus im Kolportageroman bei Julius Stinde.
Verena Paulus
Gebrochene Bilder: Die Autorin Annemarie Schwarzenbach im ›Orient‹.
Natascha Ueckmann
Aktuelle Markierungen
Dominante Diskurse. Zur Popularität von ›Kultur‹ in der aktuellen Islam-Debatte.
Birgit Rommelspacher
Der ›deutsche Wertekonsens‹ und die Religion der Anderen. Kulturalisierung des Islam: Die 2. Islamkonferenz in ausgewählten Printmedien.
Rolf Cantzen
»Einblicke in fremde Welten«. Orientalistische Selbst/Fremdkonstruktionen in TV-Dokumentationen über Muslime in Deutschland.
Stanislawa Paulus
Ausblick
Orientalismus und zeitgenössische Kunst.
Alexandra Karentzos
Weitere Informationen
Rezension von Ralf Burnicki “Orient- und Islambilder als Kulturrassismus” , in gwr 328, 4 / 2008.
Rezension von Kuno Rinke: Selbst- und Fremdbilder – Orient, Islam und People of Color
Aus: Politisches Lernen. 26. Jg., Heft 1 / 2. 2008, S. 98 – 102
„Ein Sammelband (…) auf den aber im Rahmen der aufkeimenden Islamfeindlichkeit nicht verzichtet werden kann.“ KISMET Rezension: Was denken wir über Orient und Islam? 11/09
“Einen sehr guten Einstieg in die aktuellen postkolonialen Ansätze bietet das Sammelband „Orient- und Islambilder“ (2007). Hier werden erstens die Debatten um Orientalismus und orientalistische Diskurse der Vergangenheit, wie etwa das Islam-Bild im christlichen Mittelalter, skizziert. In diesem ersten Schritt werden in dem interdisziplinär angelegten Sammelband unterschiedliche Aspekte von Orientalismus, die sich von Sprach- und Literaturwissenschaft über Geographie bis zur Sozialgeschichte erstrecken, angesprochen. Anschließend werden ausgewählte Diskurse der Gegenwart angesprochen, so etwa die Debatten um die deutsche Islamkonferenz und die behaupteten Zusammenhänge zwischen Jugendgewalt und einer „muslimischen Kultur“. Die Publikation macht die Bandbreite postkolonialer Ansätze deutlich, wobei allerdings auf eine Zusammenführung und politische Bewertung weitgehend verzichtet wird.”
Feindschaft gegenüber Muslimen und die Schwierigkeiten einer emanzipatorischen Perspektive. Von Ismail Küpeli in: analyse&kritik (Nr. 549 vom 16.4.2010).