Bedingt durch die Popularität seines inzwischen in drei Bänden vorliegenden homo sacer-Projektes hat der italienische Philosoph Giorgio Agamben in jüngster Zeit eine umstrittene Bedeutung gewonnen. Im Rahmen einer Analyse der Globalisierung bezieht sich Agamben auf eine Reihe aktueller politischer Phänomene, wie Gefangenenlager, Folter, Flüchtlinge oder biometrische Überwachung des Menschen, um sie auf eigenwillige Weise als Folgeerscheinungen abendländischen Denkens und Lebens zu dechiffrieren. Diese Dechiffrierung knüpft an Foucaults Konzepte von Biopolitik und Gouvernementalität an und impliziert einen Begriff des Politischen, der die Grenzen der gängigen Semantik sprengt. »Denken, d.h. Politik.« schreibt Agamben bereits 1985 in seinem Buch Idee der Prosa, getragen von der Überzeugung, dass das Denken es ermöglicht, die unermüdlich arbeitende gouvernementale Maschine mit all ihren Überwachungs- und Regierungsmechanismen sichtbar zu machen und zu sabotieren. In diesem Sinne möchte dieser Band zweierlei leisten: Einerseits soll die Lücke einer systematischen Auseinandersetzung mit den Hintergründen Agambens politischer Philosophie geschlossen werden, und andererseits soll ein Beitrag zur aktuellen Debatte um eine philosophische Konzeption des Politischen geschaffen werden.
Mit Beiträgen von:
Thomas Atzert (Frankfurt), Vittoria Borso (Düsseldorf), Ulrich Bröckling (Konstanz), Mechthild Hetzel (Darmstadt), Vivian Liska (Antwerpen), Thomas Khurana (Potsdam), Oliver Marchart (Luzern), Tilman Reitz (Jena), Johannes Scheu (Freiburg iBr), Leander Scholz (Köln), Bernd Ternes (Berlin), Ingeborg Villinger (Freiburg iBr), Janine Böckelmann (Düsseldorf), Frank Meier (Düsseldorf)
Inhaltsverzeichnis
Janine Böckelmann/Frank Meier
Vorwort
Oliver Marchart
Zwischen Moses und Messias
Zur politischen Differenz bei Agamben
Thomas Khurana
Desaster und Versprechen
Eine irritierende Nähe im Werk Giorgio Agambens
Tilman Reitz
Der Ausnahmezustand, in dem wir leben
Politische Ordnung und entgrenzte Verfügungsgewalt
Andreas Vasilache
Gibt es überhaupt „Homines sacri“?
Das nackte Leben zwischen Theorie und Empirie
Vivian Liska
Als ob nicht
Messianismus in Giorgio Agambens Kafka-Lektüren
Sibylle Schmidt
Für den Zeugen zeugen
Versuch über Agambens „Was von Auschwitz bleibt“
Mechthild Hetzel
Jenseits von Mehrheit und Minderheit
Zur politischen Konzeption des Restes
Bernd Ternes
Die kommende Gemeinschaft und exzentrische Paradoxie
Kurze Notiz zum Bedenken des Sachverhalts,
dass sich soziale Wirklichkeit an keine Grenzen hält
Janine Böckelmann
Der Begriff des Lebens und die Perspektive des Ethischen
Ingeborg Villinger
Der Ausnahmezustand des Lagers –
totalitäres Labor oder Paradigma der Moderne?
Ein Vergleich von Hannah Arendt und Giorgio Agamben
Leander Scholz
Jenseits des Liberalismus:
Giorgio Agamben und die Kritik der modernen
politischen Philosophie bei Leo Strauss und Carl Schmitt
Johannes Scheu
Heilige Gewalt, heiliges Leben
Giorgio Agambens „Homo sacer“
im Kontext von René Girards Opfertheorie
Elke Lachert
Wege dorthin
Zum Problem der Unentscheidbarkeit
bei Agamben und Derrida
AutorInnenverzeichnis
Siehe auch:
Rezension in Schattenblick 467