»Wir haben uns daran gewöhnt, dass nach jedem neuen PISA-Ergebnis Enttäuschung, Aufregung und Schuldzuweisungen aus den deutschen Medien schallen. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, kann mal wieder froh sein, in einigen Bildungsbereichen wenigstens noch knapp über dem Durchschnitt zu liegen. Aus dem Bildungsdebakel sticht die mangelnde Chancengleichheit besonders hervor: Wer aus wohlsituierten Elternhäusern kommt, erreicht deutlich bessere Abschlüsse. (…) Wenn zudem eine gute Bildung als Rezept gegen Armut angepriesen wird, schwingt bereits perfider Klassismus mit: Wer arm ist, hat sich in der Schule nicht genug angestrengt oder war einfach zu dumm. Wer reich ist, verdankt dies Fleiß und Intelligenz. Tanja Abou räumt mit diesen für privilegierte Menschen sehr bequemen Mythen gründlich auf und trifft mit ihrer engagierten Kritik unser Bildungssystem ins Mark. Bildung wird ökonomisch und sozial Abgehängten penetrant als Ausweg aus der (als individuelles Problem hingestellten Misere) präsentiert, doch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Der Klassismus des Bildungswesens schafft, zementiert und rechtfertigt soziale Ungerechtigkeit. Abou unterzieht uns einem instruktiven Social-Justice-Kursus und zeigt Lösungswege auf. (…) Das Buch „Klassismus im Bildungssystem“ hinterfragt diskriminierende Zuschreibungen im Bildungswesen. Besondere Kritik trifft die Stigmatisierung von Armutsbetroffenen, individualisierende Schuldzuweisungen und die eklatant mangelhafte Ausstattung des Bildungswesens überhaupt. Insbesondere werden neben einer massiven Mittelaufstockung solidarische Interventionsmöglichkeiten sowie demokratisch selbstorganisierte Initiativen als Lösungswege dargestellt.« – Thomas Barth, socialnet, 28. Juni 2024