»Alle Menschen wachsen bis zu 40 Wochen im Körper einer Person heran, bevor sie geboren werden. Gleichzeitig kann aber etwa nur die Hälfte der Menschen schwanger werden. Ausgehend von dieser ›reproduktiven Differenz‹ – die einen können schwanger werden, die anderen nicht – stellt Antje Schrupp in ihrem kurzen und instruktiven Buch Überlegungen für eine feministische Ethik an, die die Anerkennung von ›Schwangerwerdenkönnen als eine unhintergehbare Bedingung des Menschseins‹ (S. 9) ins Zentrum der Analyse rückt (…). Schrupp nimmt uns bei ihren Überlegungen mit auf eine historische wie tagespolitisch aktuelle Reise durch feministische Kontroversen zum Thema Reproduktion (hier verstanden als Fortpflanzung), die die reproduktive Selbstbestimmung und reproduktive Freiheit von Menschen betreffen, die schwanger werden können: Eruiert werden die Entstehung des Patriarchats und die daraus hervorgegangene Geschlechterdifferenz, inwiefern vor dem Hintergrund rassistischer und ableistischer Bevölkerungspolitiken Abtreibungsverbote, Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen ein Kontinuum selektiver Geburtenkontrolle bilden und wie die Nutzung von Reproduktionstechnologien mit biopolitischen Regulierungen, Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und heteronormativen Familienidealen verschränkt ist. Damit ist das Büchlein besonders für Lesende geeignet, die sich schnell einen soliden Überblick über diese Debatten verschaffen wollen. Aber auch für thematisch informierte Lesende bietet es aufgrund der anschaulichen Beispiele und Schrupps eigenen Denkübungen viel Stoff zum Weiterdenken. (…) Sie plädiert für eine fortwährend kritische Auseinandersetzung mit und Diskussion der unterschiedlichen Perspektiven auf Reproduktionsmedizin, Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbrüche sowie nicht-heteronormative Familiengründungen. Schrupp argumentiert konsequent aus einer feministischen Perspektive, indem sie sich u.a. für Freiheit, Würde, Selbstbestimmung, Schutz der Schwächeren, Solidarität oder (ökonomische) Gerechtigkeit ausspricht, verwehrt sich aber gleichzeitig gegen polarisierende Positionen, die sich z.B. entweder komplett gegen Reproduktionstechnologien aussprechen oder Eizellverkauf und bezahlte Schwangerschaft zu einer bloßen Dienstleistung erklären und die damit einhergehenden ethischen Verantwortlichkeiten ignorieren.« – Julia Teschlade, Femina Politica, 01 | 2023