»Tove Soiland stört. Unverblümt politisch widerspricht sie breit geteilten theoretischen Annahmen und problematisiert die Zuarbeit emanzipatorischer Kräfte an der neopatriarchalen Hegemonie, die sie als komplexes ›Ineinandergreifen einer Feminisierung der Lasten bei gleichzeitiger De-Thematisierung von Geschlecht‹ (129) analysiert. Seit nunmehr 20 Jahren übt sie Kritik an Gender-Theorien und vermittelt als Gegenentwurf das Denken der sexuellen Differenz: eine feministische Theorietradition, die im deutschsprachigen Raum eine Rezeptionssperre erlitten hat. Der vorliegende Band ermöglicht es nicht nur, ihre Zwischenrufe in chronologischer Reihenfolge nachzulesen, sondern auch in diese andere Perspektive auf Geschlecht und Gesellschaft einzutauchen, die gegen den Wind in die Gegenwart gerettet wurde. Anna Hartmann versammelt neben Texten zum Gender-Streit auch Soilands Schriften zum feministisch-psychoanalytischen Subjektverständnis, auf dem das Denken der sexuellen Differenz aufruht. Die Verwiesenheit des Menschen und deren Negation stellen die zentralen Fluchtpunkte der Denkbewegungen dar, die Soiland unternimmt, wenn sie die politische, ökonomische und psychische Dimension der gegenwärtigen Geschlechterordnung untersucht. Die ausgewählten Interviews erleichtern den Einstieg in diese komplexen Analysen, die durch die vielfältigen theoretischen Bezüge sehr voraussetzungsvoll sind, und geben zudem auch die Möglichkeit, Soiland im Dialog zu lesen. Hartmann schafft es mit dieser Textauswahl, die Schriften einer streitbaren Denkerin aufzuschließen, die keine mühelose Lektüre erlauben, sondern danach verlangen, durchgearbeitet zu werden.« – Sabine Hattinger-Allende, Femina Politica 1/2023