»Die Herausgeber haben sich viel vorgenommen: nicht alles tun bietet nicht nur einen historischen Überblick über die Theorie und Praxis des zivilen Ungehorsams, sondern möchte diesen auch wieder an Strategien der bildenden Kunst rückbinden. Das ist ungewöhnlich, denn innerhalb der Linken überwiegt entweder die ursprünglich bildungsbürgerliche Vorstellung von der Kunstautonomie, die ihre Freiheit einbüßt, sobald Kunst sich politisch engagiert, oder aber die Vorstellung, dass jede Art von künstlerischem Protest gesellschaftlich wirkungslos aufs Feld der Kunst beschränkt bleibt. Dem gegenüber plädiert der Politikwissenschaftler John Holloway in seinem Beitrag ›Über Poesie und Revolution‹ dafür, sich die Revolution künstlerisch vorzustellen: Revolution kann nicht einfach nur auf Gewalt mit Gewalt, auf Hässliches mit Hässlichem reagieren und die Frage nach einer ihr dienlichen Kunst vertagen. Auch wenn es beinahe vermessen ist, angesichts gegebener politischer Verhältnisse von Revolution zu sprechen, schneidet Holloway einen wichtigen Themenkomplex an. Kunst nämlich stellt innerhalb der Linken meist einen blinden Fleck dar oder erschöpft sich in Agit Prop und Revolutionsromantik. Würde die Revolution allerdings tatsächlich eintreten und der Kapitalismus abgeschafft werden, wäre auch agitatorische Kunst überflüssig geworden. […]
Einige der in nicht alles tun dokumentierten Arbeiten von bildenden Künstlern machen allerdings deutlich, dass es durchaus möglich ist, an einer Schnittstelle aus real betriebenen zivilen Ungehorsam und künstlerischer Intervention zu arbeiten. Wenn zum Beispiel der spanische Künstler fran meana auf Stöcke montierte Miniaturlandschaften vor Überwachungskameras hält und diese Aktionen später im Museum dokumentiert, betreibt er sowohl Agitation wie Aufklärung. Zum einen ›stören‹ seine Arbeiten, da sie die Überwachung temporär außer Kraft setzen, zum anderen schafft die Dokumentation im Museum ein Bewusstsein über die Allgegenwart der Überwachung.
Doch nicht nur die intensive Auseinandersetzung mit bildender Kunst im Kontext von zivilem Ungehorsam macht nicht alles tun zu einer außergewöhnlichen Publikation. Die Beschäftigung mit zivilem Ungehorsam selbst ist heute zu einer Seltenheit geworden. In ihrer Einleitung erklären die Herausgeber, dass die Debatte zumindest im deutschsprachigen Raum nach dem Fall der Berliner Mauer nahezu zum erliegen gekommen ist. Vorm Hintergrund der globalisierungskritischen Bewegungen in den so genannten Schwellenländern und neuen Aktionsbündnissen im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007, stößt das Thema jedoch auch in Deutschland wieder auf verstärktes Interesse.« – Martin Büsser, transform, 12. September 2008