»Tupoka Ogette ist eine ausgewiesene Antirassismustrainerin und seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig. Das vorliegende Buch gilt als Klassiker für die Auseinandersetzung mit Rassismus. Ogettes Anliegen ist es, ›dass immer mehr Menschen verstehen, wie Rassismus funktioniert und wie tief er in unserer Gesellschaft verankert ist‹ (S. 11). Sie möchte weiße Leser*innen zu einer rassismuskritischen Perspektive ermutigen. Ogette geht davon aus, dass Rassismus sogar in Kontexten passiert, die sich für offen und antirassistisch halten. Rassismus, das machen die anderen. ›Happyland‹ nennt sie diesen Zustand des unbedarften, unreflektierten Umgangs mit dem Thema Rassismus, ein Land in dem viele Abwehrmechanismen wachsen und gedeihen. Ogette lädt ihre Leser*innen ein, sie ein Stück in eine rassismuskritische Welt mitzunehmen. Ihr Buch ist ein Mitmachbuch mit Seminarcharakter. Rassismuskritisch denken zu lernen ist kein einfacher, und zugleich ein lohnender Weg, der in verschiedenen Phasen verlaufen kann: Rassismus negieren, Abwehr, Scham, Schuld und Anerkennung (S. 22ff.). Neben der Wissensvermittlung über Rassismus hat die emotionale Ebene eine wichtige Bedeutung. Daher werden die Leser* innen immer wieder aufgefordert, Ihre Gedanken und Gefühle mit anderen zu teilen, Gespräche zu führen und ein Logbuch zu führen.
Das Geschäft mit der Sklaverei ist der Ausgangspunkt von Ogettes Auseinandersetzung mit der Geschichte des Rassismus, eine Geschichte, die in den Geschichtsbüchern fehlt und die die Augen öffnet über die deutsche Kolonialzeit und ihre rassistischen Kontinuitäten. Ogette nimmt zur Erläuterung Links auf eindringliche Videos zu Hilfe, deren Betrachtung und Reflexion nicht kalt und unbeteiligt lassen. Spätestens jetzt beginnt die Leser*in zu realisieren, dass Deutschland bei diesem Thema an einer kollektiven Wissensverdrängung leidet. Das Geschäft mit der Sklaverei, Massenmorde und Mission sind prägende Faktoren der Geschichte. Sie wirken sich aus auf das Weißsein heute, das mit Privilegien und Macht untrennbar verbunden ist. Das ist auch der Grund für die bis heute vorherrschende Meinung, nach dem 2. Weltkrieg gäbe es keinen Rassismus mehr. Rassismus findet sich strukturell, institutionell und individuell. Menschen leiden täglich daran. Ogette macht deutlich, dass ›Mikroagressionen‹, diese subtilen übergriffigen Äußerungen, alltäglichen Beleidigungen, egal, ob sie ›nicht so gemeint‹ waren oder gar die Empfänger*in ›nicht so empfindlich‹ sein solle, ein strukturelles Phänomen sind, das die Betroffenen zu Anderen macht(Othering), und dass die Definitionsmacht darüber, was rassistisch oder verletzend ist, wer dazugehört und wer nicht, von Weißen ausgeübt wird. Auch im Wissenschafts- und Bildungsbereich stehen eurozentristische weiße Perspektiven im Vordergrund‹ (S. 48).
Ogette betont, dass es für Eltern sehr schwer ist, ihr Kind nicht vor Rassismus beschützen zu können. Es ist anstrengend, bei Klassenfahrten oder Betriebsfesten darüber nachdenken zu müssen, ob das Kind oder man selbst sicher ist. Und: Auf ihre Rassismen angesprochen, reagieren die verletzenden Personen oft wiederum verletzt, beleidigt und aggressiv, so dass die diskriminierte Person doppeltem Stress ausgesetzt ist. Racial Stress ist toxisch und macht krank. Die Autorin stellt eine umfangreiche Liste von weißen Privilegien auf (S. 55 ff.), allesamt Sachverhalte, die wir als Weiße genießen, ohne uns bewusst zu sein, wie privilegiert wir sind.
Wegen der besonderen Berücksichtigung der emotionalen Ebene der Abwehrmechanismen und auch durch die Vielzahl der beeindruckenden wie manchmal bedrückenden Beispiele erweist sich die Lektüre von Tupoka Ogettes Buch als besonders anregend zum Nachdenken und Reflektieren eigener (un-) bewusster Haltungen und Denkmuster. Mir hat die respektvolle Art gefallen, mit der Ogette ihre Leser*innen abholt. Sie macht sie nicht verantwortlich für eine lange Geschichte, aber nach dem Lesen möchte man sich der Verantwortung für das, was jetzt alltäglich passiert, nicht mehr entziehen. Das Buch wird seinem Anspruch, Leser*innen zu sensibilisieren und zu einer rassismuskritischen Haltung zu ermutigen, mehr als gerecht. Ich empfehle es sehr! « – Cornelia Tsirigotis, Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung 1/2023