»Jens Kastner zeichnet in seiner Einführung zur dekolonialistischen Theorie deren Entstehung nach. Den dekolonialistischen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie die vom Kolonialismus geprägten fortdauernden Machtmuster untersuchen und darstellen. Diese werden nach dem peruanischen Soziologen Aníbal Quijano ›Kolonialität‹ genannt. Zunächst erläutert Kastner den Einfluss marxistischer Ansätze und die Verschiebung der analytischen Kategorie von der Klasse zum Volk bzw. zur Klassifizierung. So verwendet Aníbal Quijano den Begriff der Klasse als Ergebnis des ›Klassifizierens und Klassifiziert-Werdens‹ unter Einfluss der ethnisierenden Einteilung der Menschen. […]
Gegen den Kolonialismus von Wissen
Es folgt eine Auseinandersetzung um Wissenssysteme, Eurozentrismus und Ephistemologie (Erkenntnistheorie). Die Eroberung Lateinamerikas bedingte dem Soziologen Edgardo Lander zufolge eine koloniale Weltordnung und eine ›koloniale Konstitution der Wissensformen‹. Mit ihr verbreitete sich ein Geschichtsbild, das die europäischen Entwicklungen zum Maßstab machte. Der Dualismus von Moderne und Tradition begründete die ›Geopolitik des Wissens‹, also einen Ausschluss anderer Wissensformen und die Vernichtung von Texten aus dem präkolumbianischen Lateinamerika. […]
In einem weiteren spannenden Kapitel zeichnet Kastner nach, in welcher Form dekolonialistische Wissenschaftler*innen Bezug auf die Bewegung der Zapatistas genommen haben. Zuletzt diskutiert das Buch, inwiefern die Forderung nach einer außeruniversitären dekolonialistischen Praxis problematisch sein kann und warum sie dennoch sinnvoll ist.
Wie der Titel des Bandes bereits nahelegt, handelt es sich um eine theoretische Einführung, die nicht immer eingängig zu lesen ist. Wer jedoch einen deutschsprachigen Überblick über die akademische dekolonialistische Theorie sucht, ist mit diesem Buch gut beraten.« – Franziska Wittig, graswurzelrevolution 472, Oktober 2022
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