literaturkritik.de über ›Postkolonialismus und Postmigration‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen literaturkritik.de über ›Postkolonialismus und Postmigration‹


»Eine postmigrantische Perspektive hat vor allem in der deutschsprachigen interdisziplinären Migrationsforschung, aber auch in einem europäischen Kontext in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. […]

Nun ist ein Sammelband erschienen, der den vielfältigen Beziehungen zwischen Postkolonialismus und Postmigration interdisziplinär nachgeht. Postkolonialismus und Postmigration wurde von Ömer Alkin, Professor für Angewandte Medien- und Kommunikationswissenschaften, und der Kunstwissenschaftlerin Lena Geuer herausgegeben und versammelt sowohl theoretische Beiträge wie zum Beispiel von der Postkolonialismus-Forscherin Leela Gandhi oder Erol Yıldız als auch Fallstudien zu Postmigration und Literatur, Theater oder Kunst. Im Vorwort gehen Alkin und Geuer davon aus, dass Kolonialismus und Migration zwei Phänomene seien, die sich seit der europäischen Eroberung der ehemaligen Kolonialländer nicht voneinander getrennt betrachten und beschreiben lassen. Postkolonialismus und Postmigration bezeichneten nicht nur die Zeit nach der Kolonialisierung oder nach der Migration, vielmehr werde eine zutiefst kritische Perspektive hinsichtlich der (Selbst-)Wahrnehmung und der Reflexion postkolonialer und postmigrantischer Realitäten eingenommen. Diese Schnittstelle zwischen den Ansätzen möchte der Sammelband herausarbeiten, wobei die Herausgeber*innen auf eine Diskrepanz aufmerksam machen:  ›Einerseits berufen sich aktuelle Konzepte zum Postmigrantischen auf die postkoloniale Theorie, wenn es darum geht, Methoden und theoretische Ansätze zu entwickeln. Andererseits weisen die Überlegungen zur Postmigration teilweise eine eigenartige Distanz zu den grundsätzlich dekonstruktiven Gesten der postkolonialen Theorie auf. Deutlich macht sich dies beispielsweise in der euphorischen Segnung migrationsgesellschaftlicher Zustände sowie einer scheinbar alternativlosen Sympathie für transkulturelle Konzepte; die sich auch in der postkolonialen Theorie zeigen, wie z.B. im Konzept der ›Kreolisierung‹ von Édouard Glissant. Daher geht es auch um die Frage, wo beide Konzepte an ihre jeweiligen Grenzen gelangen, wo sie kontraproduktiv für ihre eigenen theoretischen Milieus werden, in denen die Konzepte angewendet werden. (14–15)‹ Ob die Postmigration ins Feld des Postkolonialismus rückspielbar sein wird bzw. in bestimmte Bereiche auch bereits zurückspielt, bleibt als Forschungsdesiderat für weitere Überlegungen offen. Abschließend formulieren die Herausgeber*innen die politische Forderung nach einer postkolonialen und postmigrantischen Gesellschaft, die sich als solche begreift und handelt. (24) […]

Das Herausarbeiten der vielfältigen Beziehungen zwischen Postkolonialismus und Postmigration in Form von theoretischen Reflexionen und Fallstudien zeigt, wie gewinnbringend und notwendig dieser Zusammenhang für die Postmigrations-Forschung ist. In einigen Beiträgen spürt man eine Art Unwohlsein bzw. Skepsis gegenüber dem noch jungen Konzept der Postmigration, vor allem scheint das Präfix ›post‹ immer noch für Verwirrung zu sorgen. Auch zeigt sich häufig die Tendenz zu politischen Forderungen, was natürlich dem Thema geschuldet ist, aber nicht unbedingt Aufgabe der Wissenschaft ist. Diese vielfältigen Beziehungen zwischen Postkolonialismus und Postmigration zu klassifizieren wäre ein nächster Schritt und ist nicht unbedingt Aufgabe der Herausgeber*innen, doch hätte man sich eine thematische Anordnung der Beiträge, eine erste Ordnung dieser Beziehungen und einen Forschungsstand gewünscht. Bemerkenswert ist nämlich, dass der Begriff ›Postmigration‹ in der britischen kulturwissenschaftlichen Forschung der 1990er Jahren bereits auftauchte und zwar im Zusammenhang mit postkolonialen Verhandlungen über Ethnien und Identitäten.« – Martina Kopf, literaturkritik.de, 28.07.2022

Zur vollständigen Rezension…