»Die Kleine Geschichte der Umweltbewegungen ist ein Sachcomic über die Geschichte der Umweltbewegung in Deutschland, der exemplarische Blicke über den Tellerrand hinaus auch in andere Regionen der Welt wirft. Schon der Titel macht klar: Es gibt sie gar nicht – ›die eine‹ Geschichte ›der Umweltbewegung‹. Deshalb werfen die umweltbewegte Anarchistin Hanna Poddig und der Künstler Christopher Leo im Comic Schlaglichter auf prägende und interessante Teile dieser Geschichten, die auch ganz anders hätten erzählt werden können. Das reflektiert eine Szene im Comic selbst: ›Ist das nicht eine eurozentristische Sicht? – Ja, unsere Betrachtung ist vermutlich immer eine willkürliche Auswahl dessen, was uns persönlich geprägt und inspiriert hat. Und natürlich davon geprägt, dass beängstigend viele von uns privilegierte Akademikerkinder aus Westdeutschland sind.‹
So erzählt das liebevoll illustrierte Buch viele kleine Geschichten von Radieschen und Revolutionen, die wie Mosaiksteinchen ein Bild der Geschichte vornehmlich der deutschen Umweltbewegungen entwirft. So lernen wir, dass deren Anfänge um das Jahr 1800 liegen dürften, als es Auseinandersetzungen um eine Holznot gab und und die Almende, also gemeinschaftlich genutzte Flächen, privatisiert wurde und verschwand. Die sogenannte erste Umweltbewegung sei laut Poddig und Leo als soziale Bewegung für den Naturschutz in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstanden. […]
Vom Anti-AKW-Widerstand über Stuttgart 21 zu Fridays for Future
In der Hauptsache allerdings beleuchtet der mehr als 100-Seitige im Unrast-Verlag erschienene Comicband die klar dominierende nicht-rechte Variante der Bewegung. So zeigen Leo und Poddig auch den Weg, den die sogenannte zweite Umweltbewegung ab den 1970er Jahren hin zu den Klimakämpfen von heute genommen hat: von den Anti-AKW-Kämpfen in Wyhl, Wackersdorf, Brokdorf und im Wendland sowie in Lingen und Gronau über den Widerstand gegen Chemiewerke oder den Neubau von Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen bis zum Hambacher Forst, den Fridays for Future und der Besetzung von Innenstädten. Über den deutschen Tellerrand blickt der Bildband unter anderem auch auf den Aufstand der Zapatistas in Mexiko und den Kampf gegen den Islamischen Staat und den ökologischen Wiederaufbau der von Krieg, Ölförderung und Monokultur zerstörten Regionen in Rojava. Was waren, was sind die jeweiligen inhaltlichen Forderungen? Welche Aktionsformen wurden bevorzugt? Wo wurden Flächen besetzt, Bauzäune eingerissen, Maschinen sabotiert, wann Tiere befreit oder Straßen blockiert? Wo gab es Spannungen innerhalb der Bewegungen, in welchen Kämpfen mischten die Autonomen mit und was können die Umweltbewegungen von den Zapatistas und der kurdischen Befreiungsbewegung lernen? Trotz des knappen Umfangs schafft es der Band, auch in die Tiefe zu gehen und vermittelt ein Gefühl für die erstaunlich vielfältigen und auch teils widersprüchlichen Aspekte der Umweltbewegungen, deren Zukunft – und damit die unseres Planeten – gerade jetzt geschrieben wird.« – Sebastian Lipp, Allgäu rechtsaußen, 27. 05. 2022