»We want Freedom, das bereits 2012 auf Deutsch erschienene Buch von Mumia Abu-Jamal über sein Leben in der Black Panther Party entlehnt seinen Titel dem ersten der zehn Punkte des Programms der Panthers: ›Wir wollen Freiheit. Wir wollen die Macht, das Schicksal unserer schwarzen Community selbst zu bestimmen. Wir glauben, dass die Schwarzen nicht frei sein werden, bis wir über unser Schicksal selbst bestimmen können.‹
Gerade einmal 15 Jahre alt war Mumia Abu-Jamal im Frühjahr 1969, als er mit anderen die Ortsgruppe Philadelphia der Black Panther Party gründete und zu ihrem ›Lieutenant of Information‹ ernannt wurde – dem Verantwortlichen für Propaganda.
Mitreißend beschreibt Abu-Jamal, wie die Panthers in Philadelphia ihre ersten Flugblätter herausgeben (mit seiner privaten Telefonnummer drauf, ein Büro hatten sie noch nicht), ein Hauptquartier einrichten, Zeitungen verkaufen, sich an Schulversammlungen und Anti-Vietnamkrieg-Demos beteiligen und auf ihrer ersten Kundgebung, ›eingekreist von bewaffneten Cops, deren Gesichter vor Nervosität rot anliefen‹, Huey P. Newtons ›Zur Verteidigung der Selbstverteidigung‹ vorlesen. ›Wir legten auf jeden Fall einen eindrucksvollen Start hin.‹
Abu-Jamal beschreibt das Leben der ›normalen‹ Panthers, meist Jugendliche zwischen 17 und 22 Jahren, die anders als Newton und Co. mit ihrer politischen Arbeit keinen Ruhm erlangten und deren Bild nicht in den Zeitungen war. Er beschreibt Erlebnisse beim Verkaufen der Zeitung der Panthers in Philadelphia genauso wie in Oakland, Kalifornien, er beschreibt das Zusammentreffen mit Führungsfiguren, einfachen Mitgliedern, politischen Feinden und brutalen Polizisten. Vor allem aber beschreibt Abu-Jamal die Leidenschaft, die unbändige Begeisterung für die Befreiung, die die Black Panther Party antrieb.
Doch die persönlichen Erfahrungen sind nur eine Facette des Buches, das Abu-Jamal an seine Magisterarbeit angelehnt hat. Er stellt die Entstehung der Panther Party in ihren historischen Zusammenhang, beleuchtet den Kampf gegen sie mit dem COINTELPRO des FBI und ihren ideologischen Verfall, der 1970 auch zu seinem eigenen Austritt führte. Ein Kapitel widmet er den Frauen in der Black Panther Party. Die Black-Liberation-Bewegung, der auch die Panthers angehörten, war geprägt von Machostrukturen. Die Panthers achteten darauf, dass dies bei ihnen anders war. Aus ideologischen, aber auch aus Selbsterhaltungsgründen hatten in der Black Panther Party Frauen mehr Führungs- und Einflussmöglichkeiten als in anderen politischen Organisationen, die Partei bestand zu über 50 Prozent aus Frauen. Eldrige Cleaver schrieb in einem Artikel über die Stellung der Frauen in der Panther Party:
›Wir müssen unsere Frauen als gleichberechtigt anerkennen … der revolutionäre Standard unserer Prinzipien verlangt, dass wir sehr darauf achten, Disziplinarmaßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die chauvinistisches Verhalten zeigen.‹ Das ist mehr, als manche sich links nennende Organisation heute von sich behaupten kann. Und so ist es kein Wunder, dass die Panthers (als Organisation und als einzelne Revolutionäre) geprägt waren von starken Frauen wie Assata und Afeni Shakur, Angela Davis oder Kathleen Cleaver.
Abu-Jamal bietet in seinem Buch einen guten Überblick auch über die Ideologie der Black Panther Party, erklärt, warum sich Newton schnell von den Theorien Malcom Xs abwandte und die Panthers zu einer explizit antirassistischen Organisation machte, warum sie auf Interkommunalismus statt auf Internationalismus setze und was daran zum Problem wurde. Auch abseits der persönlichen Erinnerungen ist We want Freedom ein absolut lesenswertes Buch.
Geschrieben hat Mumia Abu-Jamal das Buch im Todestrakt. 1982 wurde er für den Mord an einem Polizisten zum Tode verurteilt. Zwei Zeugen – eine Prostituierte und ein Taxifahrer – belasteten Abu-Jamal, niemand hatte diese Zeugen am Tatort gesehen, wahrscheinlich, weil sie nicht da waren. Der Prozess gegen Abu-Jamal war eine Farce. 30 Jahre nach dem Urteil, am 7. Dezember 2011, verkündete Seth Williams, der zuständige Staatsanwalt, dass er auf die weitere Verfolgung der Todesstrafe für Abu-Jamal verzichten werde. Damit wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA aus dem selben Jahr rechtskräftig. Die Rettung des Lebens von Mumia Abu-Jamal war ein großer Sieg, auch für die weltweite Solidaritätsbewegung. Was folgte, war das, was Abu-Jamal selber als ›Tod auf Raten‹ bezeichnet: Lebenslange Haft ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung.
Mumia Abu-Jamal war 27 Jahre alt, als er wegen des angeblichen Mordes an dem Polizisten Daniel Faulkner verhaftet wurde. Bis heute sitzt er im Knast. Am kommenden Sonntag wird er 68 Jahre alt. Der Kampf um sein Leben, um seine Freiheit ist noch nicht vorbei.« – Melina Deymann, unsere Zeitung, 22. April 2022