suburban über ›Recht auf die Stadt‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen suburban über ›Recht auf die Stadt‹

»Viele der in Deutschland entstandenen Recht-auf-Stadt-Bündnisse orga­ni­sie­ren sich horizontal und basisdemokratisch. Eine konkrete Bestimmung der Ideen und Konzepte, die eine solche Form der Zusammenarbeit begründen, wird jedoch selten geleistet. Dies verwundert durchaus vor dem Hinter­grund der Geschichte linker aktivistischer Praxis, die hierfür viele Anknüpfungs­punk­te bietet. Insbesondere libertäre oder anarchistische Strömungen könnten einen großen Fundus an erprobten Ideen zur horizontalen Organisierung bei­steuern – jedoch wurden auch von dieser Seite bisher kaum Verknüpfungen hergestellt (vgl. zu Ausnahmen hierzu die Zeitschrift Direkte Aktion 2013, nbo 2011, Ronneberger 2010).
In seinem Buch Recht auf die Stadt. Von Selbstverwaltung und radikaler Demokratie (2014) nimmt sich Daniel Mullis dieser Fragen an. Er bringt dabei die von Henri Lefebvre stammenden Konzepte ,Recht auf Stadt‘, ,Produktion des Raums‘ und autogestion (Selbstverwaltung) mit den von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe entwickelten Konzepten des ,Politischen‘ und ,radikaler Demokratie‘ zusammen. Bezugnehmend auf die bekannte Formulierung Lefebvres, Räume würden „produziert“, also sozial hergestellt, fragt Mullis, welche Art der Raumproduktion einer emanzipatorischen politischen Praxis dienlich wäre (65), und stellt dem die Prämisse zur Seite, dass „ein politisches Pro­jekt der Emanzipation nicht nur produziert, sondern immer auch re­pro­du­ziert werden“ muss (144). Er versucht demnach zu klären, in welchem Zu­sam­men­hang politische Forderungen nach einem ,Recht auf Stadt‘ und die organi­sa­torische Praxis der Protestakteure stehen. Dabei betont er explizit die erkenntnistheoretische Nähe der undogmatisch-marxistischen Position Lefebvres sowie der postmarxistisch-poststrukturalistischen Konzepte von Laclau/Mouffe zu zeitgenössischen anarchistischen Positionen. Insbesondere hinsichtlich „der Betonung der Alltäglichkeit als Ort des Wandels und der sukzessiven ‚Revolution‘“ (9) ergäben sich deutliche Überschneidungen und damit Möglichkeiten der Annäherung. Dies ist der Ausgangspunkt, von dem aus der Autor beide theoretische Konzepte gegenüberstellt und kritisch diskutiert. […]
Das Buch von Mullis beantwortet also weniger praktische Fragen der Selbstverwaltung und Demokratie, sondern fordert auf, sich in zukünftigen Auseinandersetzungen um ein ‚Recht auf Stadt‘ stärker der organisatorischen Frage zu widmen; das heißt der Frage, wie sich die kapitalistische Waren- und Kontrollgesellschaft von unten her durch eine permanente Politisierung des Alltags und einer herrschaftsfreien Selbstverwaltung verändern lässt. Dazu bietet es ein komplexes und vielversprechendes theoretisches Rüstzeug an – das auf seine empirische und praktische Überprüfung wartet.«
Joscha Metzger, suburban, zeitschrift für kritische stadtforschung, 2014, Band 2, Heft 2, 155-159

 

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