Rezension : Wertmüller

UNRAST VERLAG Pressestimmen Rezension : Wertmüller

Rezension

Birgit Schmidt schreibt die Geschichte der KPD von ca. 1928, als die Phase der »Bolschewisierung« abgeschlossen war, über alle Stationen des Exils bis zur Vereinigung mit der SPD zur SED und darüber hinaus bis zur Konsolidierung der DDR-Kulturpolitik in den 50er Jahren. Der scheinbar vermessene Anspruch wird merkwürdigerweise durch die Personalisierung dieser verschlungenen Geschichte eingelöst: drei Protagonisten der KPD-Literatur und späteren DDR-Literatur werden durch mehr als drei Jahrzehnte begleitet: Neben Anna Seghers sind es Bodo Uhse und Ludwig Renn, Autoren, die sich bereits vor 1933 kennen lernten, einander in den Jahren des Exils immer wieder begegneten und 1940 – 1947 im mexikanischen Exil fast Haustür an Haustür lebten und zusammenarbeiteten. […]

Wie konnte es passieren, dass Schriftsteller, die als Kommunisten oder gar zusätzlich als Homosexuelle (Ludwig Renn) oder final lebensbedroht auch als Juden aus Deutschland fliehen mussten, unter schwierigsten materiellen Bedingungen den Widerstand gegen den Nazifaschismus aufbauen halfen, im spanischen Bürgerkrieg direkt mit ihm konfrontiert waren, den Krieg erlebten und vom Holocaust spätestens 1943 fassungslos Kenntnis nahmen – dass solche Leute sich als Schriftsteller fast ausschließlich der Verteidigung der anständigen Deutschen widmeten? Warum erkannten sie im SA-Mann den Kulturmenschen, der sich nur falsch entschieden hatte, wieso wähnten sie im ordinären bürgerlichen Mitläufer einen potentiellen Antifaschisten und im über Spanien abgeschossenen Angehörigen der Legion Kondor einen Anti-Nazi-Kombattanten? Warum schrieben solche Menschen Bücher, in denen jede gute Frau deutsch, blond und unattraktiv ist, jeder gute Mann hart wie Weltkrieg-Eins Kanonenfutter und in dem alles überquillt vor Vaterlandsliebe, Kitsch, Trivialitäten und Antisemitismus? Birgit Schmidt gibt die Antwort: Es war die Volksfront-Ideologie, das große nationale Kulturbündnis der Anständigen gegen die Nazis, das als Triebkraft des Handelns die gesamte Exilzeit beherrschte. Justus Wertmüller, Mai 2002

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Birgit Schmidt – Wenn die Partei das Volk entdeckt

Birgit Schmidt – Wenn die Partei das Volk entdeckt

Anna Seghers, Bodo Uhse, Ludwig Renn u.a. Ein kritischer Beitrag zur Volksfrontideologie und ihrer Literatur