Rezension: Kritische Ökologie Nr. 71 – 23[2]

UNRAST VERLAG Pressestimmen Rezension: Kritische Ökologie Nr. 71 – 23[2]

Klaus Pedersen

Naturschutz und Profit

Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung

ISBN 978-3-89771-476-2 | 140 S. | 13.80 EUR [D]

Unrast Verlag, 2008

Stellen Sie sich mal die folgende Situation vor: Eine ostafrikanische Naturschutzorganisation erklärt den Schwarzwald zum Nationalpark. Die Menschen dürfen bleiben, wenn sie nur mit Pferdekutschen und Ochsengespann arbeiten und die Frauen Bollenhüte tragen. Ansonsten werden sie einfach weggejagt. Und Ostafrikaner errichten darauf im Schwarzwald afrikanische Hotels für afrikanische Trophäenjäger. Eine absurde Vorstellung? In Afrika ist ein solches Vorgehen von europäischen Naturschutzorganisationen jedenfalls gang und gäbe.

Wer sich ernsthaft mit Naturschutz beschäftigt, hat ganz gewiss schon mal irgendwo mitbekommen, dass der WORLD WIDE FUND FOR NATURE (WWF) mehr an Geld als an Naturschutz interessiert ist. Ebenso dass der berühmte Nationalpark Serengeti gezielt gegen die einheimischen Menschen gerichtet ist. Und dass die bisweilen als nachhaltig gepriesenen Palmölplantagen für den (zynischermaßen so genannten) ‘Biodiesel’ ökologisch und sozial verheerend sind, weiß ohnehin jeder an Natur- und Umweltschutz Interessierte. Und der Begriff der Biopiraterie ist uns wohl allen geläufig, wenn auch vielleicht nicht allen klar ist, dass Naturschutzgebiete dieser oft gezielt zuspielen. Aber detaillierte Untersuchungen zur Frage, was für Unheil Naturschutz-Unternehmen anrichten, sind vermutlich den Wenigsten bekannt. Wussten wir etwa die folgenden Tatsachen?

1948 richtete die britische Kolonialregierung in Tansania den Nationalpark Serengeti ein. Die einheimischen Massai wurden zunächst geduldet. Ab 1955 durften nur noch diejenigen Massai bleiben, die dem europäischen Stereotyp des ‘Wilden’ oder ‘Primitiven’ entsprachen, also quasi als Zootiere für europäische Safariteilnehmer zu leben bereit waren. Zoodirektor Bernhard Grzimek war stark daran beteiligt, in Europa für eine Akzeptanz der Zwangsumsiedlungen zu werben.

Der WWF ist an mehreren Schutzgebieten in Kamerun und Gabun beteiligt. Die Bewohner wurden vertrieben, enteignet oder zwangsumgesiedelt, in vielen Fällen ohne jede Entschädigung. Ein weiteres solches Projekt des WWF ist in Nigeria geplant.

Welche Arroganz, Naturschutz besserwisserisch exportieren zu wollen und unter diesem Vorwand die seit Jahrtausenden ansässige Bevölkerung zu entrechten und zu vertreiben und ihr Wissen zu verhöhnen! Ist das die Wiedergutmachung für die Umweltsünden im eigenen Land? Müssen andere dafür die Opfer bringen, die wir selber nicht zu bringen bereit sind? Dies wird in PEDERSENS Buch an vielen Beispielen anschaulich dargestellt. Es ist – soweit ich das beurteilen kann – sehr gut recherchiert. Sicher ist es ausgesprochen verdienstvoll, solche Dinge zusammenzustellen, psychisch bestimmt keine leichte Aufgabe. (Ich persönlich würde es mir nicht zutrauen, da mich die Erkenntnisse zu sehr frustrieren würden und ich lieber mein Augenmerk auf schöne Dinge richte.)

Natur verkommt oft zu einer ausbeutbaren Ressource. Und da müssen Menschen, die dem damit zusammenhängenden Profit im Wege stehen, natürlich aus dem Weg geschafft werden. Darin ist der WWF ganz groß, gemeinsam mit den zwei anderen bedeutenden Naturschutz-Profitunternehmen The Nature Conservancy (TNC) und Conservation International (CI). Zumindest sind diese drei nach PEDERSENS Einschätzung die schlimmsten.

Bei seinen Ausführungen distanziert sich PEDERSEN ausdrücklich vom Indigenismus, der nur die Belange der so genannten ‘Indigenen’ berücksichtigt und andere Ansässige vergisst, wie es leider viele Ethnologen bei der Betrachtung Südamerikas tun. Und er kennt die unter praktischen Naturschützern hinlänglich bekannte, von theoretischen Naturschützern aber oft missachtete Tatsache, dass die zu schützende Natur meist ein Produkt menschlichen Schaffens ist, also Naturschutz unter Ausschluss der Menschen in vielen Fällen ein Schildbürgerstreich ist.

Bei allem Lob, das dem Buch gebührt, bleiben ein paar Kritikpunkte:

Die Übersichtlichkeit ist noch ausbaufähig. Wenn ich etwa suche, was der WWF konkret für Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, so finde ich das weder über die Inhaltsübersicht noch über das Stichwort ‘WWF’ im Register. Dadurch bleibt wertvolle vorhandene Information bisweilen zunächst verschlossen.

Das Nord-Süd-Gefälle erscheint manchmal allzu stereotyp aus der Mottenkiste geholt. Etwa wenn der Iran dem ‘Norden’ gegenübergestellt wird. Die damit zusammenhängende Schwarzweißmalerei mag eine gewisse Berechtigung haben, ob sie aber der Lösung von Problemen dient, mag man bezweifeln.

Überhaupt fehlen Lösungsansätze weitgehend, etwa Erwähnungen von Naturschutzorganisationen und -projekten, die sozialverträglich sind und damit ein Gegengewicht darstellen könnten. PEDERSENS Schlussfolgerungen gehen in die Richtung, dass das gesamte Problem im kapitalistischen Weltwirtschaftssystem begründet liegt. Das mag ja stimmen, aber mit dieser Erkenntnis ist noch kein Lösungsansatz in Sicht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er die Lösung aller genannten Probleme nur in der Beseitigung des Kapitalismus sieht. Müssen wir denn wirklich mit der Lösung sämtlicher Natur-, Umwelt- und sozialen Probleme so lange warten, bis der Kapitalismus endlich überwunden ist? Das fände ich als langjähriger ehrenamtlicher Naturschützer und als kritischer Konsument sehr unbefriedigend. Warum sieht PEDERSEN ein Problem darin, dass Naturschutz mit finanziellen Anreizen versehen wird? Können wir nicht bemüht sein, den Kapitalismus, wenn wir ihn schon nicht von heute auf morgen beseitigen können, für sinnvolle Dinge zu nutzen? Und ob das von ihm zum Vorbild erhobene Kuba wirklich so vorbildlich ist, darüber kann man geteilter Meinung sein.

Insgesamt wünsche ich dem Buch, dass es auch in Übersetzungen in anderen Sprachen erscheinen kann, etwa in Englisch, Spanisch und Esperanto, um noch mehr interessierte Menschen zu erreichen.

Erschienen in: Kritische Ökologie Nr. 71 – 23[2]: 30-31. Frühjahr 2009

Information: www.ifak-goettingen.de; Kontakt: redaktion[ät]kritische-oekologie.de

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Klaus Pedersen

Naturschutz und Profit

Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung