»In Ein Tag in meinem Leben beschreibt Bobby Sands den Gefängnisalltag der IRA-Gefangenen im britischen Hochsicherheitsgefängnis Long Kesh während des so genannten Deckenprotests. Er schrieb dieses Tagebuch auf Toilettenpapier, mit einem Stift, den er in seinem Körper versteckt hielt. Hinter dem Deckenprotest stand die Absicht, als politische Gefangene anerkannt und nicht wie gewöhnliche Kriminelle behandelt zu werden. Um dies zu erreichen, weigerten sich die Gefangenen, die Anstaltskleidung zu tragen und hüllten sich stattdessen lediglich in Decken.
›Besser zu leiden während man Widerstand leistet, als gefoltert zu werden, ohne sich zu wehren‹, resümiert Sands seine Einstellung. Er schildert nicht nur die oft sadistischen Repressalien durch die Wärter – wie die Säuberung der Zellen mit ätzenden Flüssigkeiten, die ohne Vorwarnung durch die Türritzen gespritzt wurden – sondern auch die Ängste im Gefangenenalltag, die Furcht zu versagen und den eigenen republikanischen Idealen nicht gerecht zu werden. Ideale, die er mit gelegentlichem Pathos, aber klar strukturiert und eindringlich vertritt. Die ›Schnappschüsse‹ aus dem, wie er es bezeichnet, ›dreckigen, stinkenden Grab‹ beleuchten auch die Kleinigkeiten, die den Durchhaltewillen stärken: den Wert einer in der Naht eines Handtuchs verborgenen Tabakrolle, die Vorfreude auf den monatlichen halbstündigen Besuch, das abwechselnde Singen von republikanischen Liedern über die Zellenflure hinweg.
Ein Tag in meinem Leben ist keine Martyriumsbeschreibung, sondern skizziert in einfachem und direktem – vielleicht gerade deswegen aufwühlendem – Stil das alltägliche Grauen, das IRA-Gefangene für ihre Überzeugungen ertrugen. Als Einstieg in den Nordirlandkonflikt und die Hungerstreikthematik setzt es oft zuviel Vorwissen voraus. Um umfassende Einblicke in das Ausmaß der menschenunwürdigen Umstände in Long Kesh zu geben, ist es allerdings nahezu unverzichtbar.«
Beate Schulz, philtrat nr. 58, April/Mai 2004