‘Dass Brot und Spiele allein den Menschen in Brasilien nicht mehr reichen, wurde der Weltöffentlichkeit diesen Juni beim Confederations Cup demonstriert. Trotz der Siege der geliebten Seleção gingen in vielen Austragungsstätten Hunderttausende Brasilianer auf die Straßen, um bei den größten Demonstrationen seit der Rückkehr zur Demokratie 1985 ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. Unmut über den desaströsen Zustand des des öffentlichen Nahverkehrs, die öffentliche Bildungs- und Gesundheitsversorgung sowie steigende Mieten und Lebenshaltungskosten. Diese Massendemonstrationen haben selbst viel Brasilien-Insider überrrascht und in ihrer Dimension auch die Initiatoren der Proteste selbst, wobei die zugrundeliegenden Probleme durchaus kein Geheimnis sind und auch nicht der Widerstand dagegen. Das zeigt sich anschaulich in dem Sammelband Widerständigkeiten im ›Land der Zukunft‹ Andere Blicke auf und aus Brasilien. […]
Es zeichnet den Sammelband aus, dass die Autoren und Autorinnen vielfältig sind, sowohl Einheimische als auch Aktivisten aus Deutschland und Österreich zu Wort kommen und damit ein buntes Mosaik der brasilianischen Gesellschaft liefern. […]
Doch es wäre zu kurz gegriffen, den lesenswerten Band nur als Buch über unterschiedliche Widerständigkeiten zu beschreiben. Brasiliens Geschichte wird ausgehend vom transatlantischen Sklavenhandel ebenso geschildert, wie die Phase der Militärdiktatur bis zur Demokratie (1964-1985) – immer mit Blick auf den Widerstand. Aber auch Brasiliens aktuelle Rolle in der Welt, mit ihrem Akzent auf eine Außenpolitik, die sich seit der Amtszeit von Lula 2003 in Richtung einer verstärkten Süd-Süd-Kooperation verschoben hat, wird beleuchtet und über ein utopisches Drama ein Ausblick auf das Brasilien im 22.Jahrhundert gegeben: Brasilien, das ewige Land der Zukunft.’
Martin Ling, neues deutschland, Beilage zur Frankfurter Buchmesse 2013