Was genau ist eigentlich das Prekariat, von dem viele Linke reden? Der Arbeitsexperte Guy Standing versucht, eine Antwort zu geben.
»In Zeiten von Krise, Spardiktaten und der angeblich alternativlosen neoliberalen Marktlogik wird der Teil der Beschäftigungsabhängigen mit sehr geringem Einkommen und unsicheren Arbeitsverhältnissen immer größer. Vor allem in Südeuropa wächst das Prekariat, wie diese Gruppe heute gängiger Weise bezeichnet wird. Wobei der Begriff oft schwammig verwendet wird und nicht immer ganz klar ist, wie diese Schicht genau definiert werden kann. Ist damit die in Krisenzeiten absteigende Mittelschicht gemeint, eine immer prekärer beschäftigte Unterschicht oder handelt es sich beim Prekariat, wie der Begriff eigentlich nahelegt, bereits um eine ganz neue, weltweit existierende Klasse von Arbeitern im Zeitalter der Globalisierung? Genau das sagt der britische Ökonomieprofessor und Arbeitsexperte Guy Standing in seinem jetzt auch auf Deutsch erschienen Buch „Prekariat – die neue explosive Klasse“.
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Standing schildert detailliert Arbeits- und Lebensbedingungen des Prekariats und bietet einen breiten Überblick zur Arbeitsmarktentwicklung weltweit. Wenn ein zentraler Fokus auch auf Großbritannien liegt, berücksichtigt er ebenso Entwicklungen in den USA, Japan, Deutschland, China und Indien. Auch die politischen Folgen dieser grundlegenden Verschlechterung arbeitsmarktpolitischer Rahmenbedingungen werden thematisiert. Denn rechtspopulistische und neofaschistische Kräfte nutzen erfolgreich diese Situation, wie die europäischen Wahlergebnisse der letzen Jahre zeigen. Migranten, die einen nicht unerheblichen Teil der neuen prekarisierten Klasse stellen, werden darüberhinaus immer öfter rassistisch diskriminiert.«
Florian Schmid, neues deutschland, 27.08.2015