neues deutschland über ›Aufstand in den Städten‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen neues deutschland über ›Aufstand in den Städten‹


‘Hintergründe und Geschichten zu den Krisenprotesten der letzten Jahre

Nach der ersten Runde von Krisenprotesten und Occupy-Bewegung folgt deren Aufarbeitung und Beschreibung in Buchform.
Gut ein Jahr nach den Platzbesetzungen der spanischen »Indignados« und von Occcupy in den USA, gibt es eine Vielzahl von Buchveröffentlichungen, um das vielschichtige internationale Protestgeschehen zu beschreiben und zu kommentieren. Gerade der postpolitische Charakter von Bewegungen, die plakativ und sehr beliebig »mehr Demokratie« einfordern und von den bürgerlichen Medien hofiert werden, provoziert geradezu eine kritische Einordnung aus linker Sicht. Mit dem von Wolf Wetzel herausgegebenen Sammelband »Aufstand in den Städten« liegt nun ein Titel vor, der in einem Rundumschlag die Krise des Kapitalismus und das weltweite Protestgeschehen aus linksradikaler Sicht abbildet.

Wie sehr sind die plötzlich wie aus dem Nichts aufgetauchten Bewegungen in Spanien, in den USA, aber auch die schweren Krawalle in Großbritannien und in Griechenland mit vorherigen Protesten verbunden bzw. inwieweit knüpfen sie daran an? Das schlüsselt der Band in einzelnen länderspezifischen Texten auf. In Spanien wurde die Guy-Fawkes-Maske – mittlerweile das Logo von Anonymous, das immer wieder weltweit bei Platzbesetzungen auftaucht – bereits 2006 von einer Initiative gegen Zwangsversteigerungen von Wohnungen verwendet. Aus dem Filmtitel V wie Vendetta wurde V wie Vivienda (span. Wohnung). Schon damals wurden sogenannte »sentadas« organisiert, quasi Sit-ins auf öffentlichen Plätzen. In Italien wiederum spielten die zahlreichen »centri sociale« – selbstverwaltete linke Stadtteilzentren – eine wichtige Rolle zur Mobilisierung der Krisenproteste. Neben vielen Großdemos linker Gruppen und Gewerkschaften kam es im Dezember 2010 zu einem Höhepunkt in Rom während eines Misstrauensantrags gegen den damaligen Präsidenten Berlusconi, als sich Demonstranten heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten.
Aber auch in den USA gab es außerparlamentarische Strukturen, die in die Occupy-Bewegung einflossen. Als das konsumkritische Satiremagazin »Adbusters« für den 17. September 2011 zu einer Besetzung der Wall Street aufrief, wirkte die knappe Anzeige eher wie ein Scherz. Dennoch kamen viele, unter anderem die Initiative »New Yorker Against Budget Cuts«. Die hatte bereits im Juni 2011 in New York ein Protestcamp organisiert, die dortigen Erfahrungen wurden in das medienwirksame Occcupy-Camp nahe der Börse mitgenommen. Auch im kalifornischen Oakland konnte Occupy auf ein Netzwerk linker und vor allem auch anarchistischer Strukturen zurückgreifen. So wurde der Platz, auf dem sich das Occupy-Camp befand in »Oscar-Grant-Plaza« umbenannt – nach einem Jugendlichen, den Sicherheitskräfte 2009 erschossen hatten, was damals zu heftigen Protesten in der Bay-Area geführt hatte. Und als in London vergangenen August vorgeführt wurde, wie die soziale Implosion im Spätkapitalismus aussieht, hatte es zuvor zahlreiche Proteste von Studenten, Gewerkschaften und linken Gruppen gegeben. Auch in Deutschland, wo es in Frankfurt am Main mit Blockupy breite Proteste gegeben hatte, waren schon im Frühling 2009 unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise« bundesweit mehr als 40 000 Menschen auf die Straße gegangen.
So gut der Sammelband diese Vorgänge auch hintergründig beleuchtet und ein Panorama der außerparlamentarischen Bewegungen Westeuropas und der USA aufzeigt, kann er die aktuelle Protestsituation kaum abbilden. Der mangelnde Aktualitätsbezug ist ein grundsätzliches Problem dieses neuen »Genres« der Krisenprotestbücher. Auch wenn die transnationale Ausbreitung der Proteste im Gegensatz zum letzten Jahr ins Stocken geraten ist, so zeigen sich doch immer wieder neue Konfliktfelder und Protestlinien. In Kanada kam es im Juni zu breiten Studentenprotesten, in Spanien gibt es im nördlichen Landesteil Asturien aktuell heftige Auseinandersetzungen der Bergarbeiter mit der Polizei, aber auch in vielen anderen spanischen Städten kommt zu es riesigen Demonstrationen wegen der beschlossenen Sparprogramme der konservativen Regierung. Und auch in Nigeria protestierten Anfang des Jahres tausende Menschen gegen Preiserhöhungen.
Was alle Proteste im Frühjahr und Sommer 2012 gemein haben, ist die massive staatliche Repression, mit der sie konfrontiert sind. In Spanien schoss die Polizei mit Gummigeschossen in die Menge, im kanadischen Quebec kam es zu Massenverhaftungen, die Berliner 1.-Mai-Demonstration wurde von der Polizei weggeprügelt und in Frankfurt wurden die mehrtägigen Proteste von Blockupy fast völlig untersagt. Sogar das Occupy-Camp in Frankfurt wurde jetzt geräumt. Wenn Regierungen und bürgerliche Presse den kapitalismuskritischen Protesten anfangs auch wohlwollend gegenüberstanden, zeigt die Staatlichkeit – egal ob in Spanien, Kanada oder Deutschland – jetzt Kante. Die Krisenproteste sind aber noch lange nicht vorbei. Sie gehen in die nächste Runde.’

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