‘Auch in linken Gegenbewegungen ist die Auseinandersetzung mit Gender-Aspekten, womöglich
gar mit Feminismus, leider nicht selbstverständlich und muss mit enervierender Hartnäckigkeit immer und immer wieder eingefordert werden. Das zeigt dieses Buch und gehört damit selbst in die Reihe der Publikationen, die ihren Teil zu einer gelungenen Herangehensweise an eine
patriarchatskritische Thematik beitragen. Denn auch die aktuell wieder vermehrt im Fokus
historischen Interesses stehende Häuserkampfbewegung erscheint zumeist als eine der
autonomen Fighter und Straßenkämpfer, die allgemein als männlich gedacht werden. Dass bei
dieser Bewegung auch Frauen ihre eigenen Forderungen durchgesetzt und Freiräume erkämpft
hatten, rückt oft in den Hintergrund der Aufmerksamkeit. Amantine stellt unter dem schlagwortartigen Titel Gender und Häuserkampf nun explizit die Frauen ins Zentrum der Hausbesetzer_innenszene.
Einführend wird ein informativer Rückblick auf die Geschichte alternativer Wohnformen gegeben. Diese reicht in Berlin historisch bis ins 19. Jahrhundert, da die Wohnungsnot und die daraus erwachsenen überhöhten Mietpreise hier bereits 1871 derart katastrophal waren, dass Menschen sich zu unkonventionellen Formen des Wohnens in Hütten und Baracken gezwungen sahen, Protestmärsche organisierten und auch damals schon Sanktionen in Form von Polizeigewalt zu
spüren bekamen.
In den 1970er Jahren begannen dann die Hausbesetzungen in der bekannteren Form des eigenmächtigen Beziehens leerstehenden Wohnraums aus sowohl finanziellen als auch
politisch-ideologisch motivierten Beweggründen. Diese Besetzungen verliefen in Schüben um 1970, 1980/81, 1989/90 und dann auch wieder von den 1990er Jahren bis heute auch außerhalb Berlins, in mehreren größeren westdeutschen Städten und in enger Verbindung zu Häuserbewegungen in der Zürich und in Amsterdam. Dazu kam in den 1980er Jahren die Entstehung von Wagenplätzen auf ungenutzten Stadtflächen, oft auch außerhalb der Zentren.
Die erste Besetzungswelle begann fast parallel zur zweiten Frauen-Bewegung in den späten 1960er Jahren. Auch der Wohnraum wurde zum Feld politischer Auseinandersetzungen.
Die Kontroversen unter dem Motto „Politisierung des Privaten“ innerhalb der neuen sozialen
Bewegungen führten dazu, dass Frauen sich zunehmend separierten und eigenständig organisierten, in eigenen Wohngemeinschaften, Frauen-Kommunen und selbstständig besetzten Häusern. Die Konflikte und Debatten hörten damit jedoch nicht auf, da es trotz augenscheinlicher Veränderungen immer wieder zu patriarchalen „Rollbacks“ kam. Als Reaktion auf Sexismus und Homophobie formierte sich eine von staatlichen Institutionen unabhängige autonome Frauen/Lesben-Bewegung, die bis heute aktiv an den Geschlechterdiskursen beteiligt ist.
Im vorliegenden Band werden einzelne Häuser skizziert, konkrete Konflikte aufgegriffen,
Diskurse und Debatten nachgezeichnet. Anhand zahlreicher Zitate aus Szenepublikationen und
Interviews werden authentische Einblicke in die einzelnen Phasen von 1969 bis 2010 gegeben
und migrantinnenspezifische ebenso wie heteronormativitätskritische bzw. queere Standpunkte miteinbezogen. Der flüssige Schreibstil bleibt sachlich und ist gut zu lesen. Absolut empfehlenswert für alle, die sich für die Geschichte des Häuserkampfes interessieren und sich umfassend informieren wollen.‘