Jos Schnurer über ›AfrikaBilder‹

UNRAST VERLAG Pressestimmen Jos Schnurer über ›AfrikaBilder‹


‘Die Deutschen halten an ihren Stereotypen von Afrika fest, als wollte man ihnen ein Spielzeug wegnehmen’

Es gibt zum Glück in der letzten Zeit einige Bücher, die mit den Vorurteilen aufzuräumen versuchen, dass der Afrikaner ein mit einem Baströckchen bekleideter, schweißtriefender, speerschwingender und tanzender ‘Neger’ sei, der im übrigen mehr oder weniger glücklich in den Tag hineinlebe – ansonsten ein mit einer Schmarotzerpflanze identifizierter Hungerleider, der unserer Hilfe bedarf und erst dann ‘entwickelt’ gelten können, wenn er so werde wie wir. Doch angesichts der nach wie vor in den Medien verbreiteten Bilder und in den Köpfen festgesetzten Vorurteile über die Menschen in ‘Schwarz-Afrika’ mag man zweifeln, ob es so schnell gelingen könne, unsere Stereotypen aus dem gesellschaftlichen Alltagsdenken heraus zu bringen. Nicht der ‘schwarze Kontinent’ ist es, der unserer differenzierten Aufmerksamkeit bedarf, sondern dem ‘bunten Kontinent’ voller vielfältiger Kulturen und unterschiedlichen Menschen gilt es, einen neuen Blick auf Afrika zu werfen, wie dies kürzlich Christoph Plate und Theo Sommer in ihrem Sammelband (DVA 2001) getan haben. ‘Als Sklaverei und Kolonialismus und die europäischen Menschenrechtsverletzungen in Afrika einer moralischen Legitimierung bedurften, erfand Europa sein Afrika’; diese Einschätzung steht in einem bemerkenswerten Buch, die Ergebnisse einer Vorlesungsreihe am Seminar für Afrikawissenschaften an de Humboldt-Universität Berlin in den Jahren 2000 und 2001, vorstellen:

Susan Arndt (Hg.), AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland; Unrast Verlag, Münster, Oktober 2001, 464 S., 21 €, ISBN 3-389771-407-8

Die Herausgeberin, seit 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Seminar für Afrikawissenschaften, macht deutlich, worum es ihr mit diesem Sammelband geht, nämlich ‘den rassistisch fundierten Afrikadiskurs nachzuzeichnen, … tradierte Bilder zu problematisieren, Diskursformen zu analysieren, politische Konzepte zu diskutieren und konkrete politische Handlungsstrategien vorzustellen’; und zwar in unserer deutschen Dominanzkultur. Dabei wird deutlich, dass in unserer Gesellschaft, die sich gerne eine aufgeklärte, multikulturelle nennt, noch viel zu tun ist, die Stereotypen aufzudecken und damit das Bewusstsein zu ändern, die durch Medien tradiert und transportiert werden, ja selbst in den Wissenschaften und Schulen vorherrschen: ‘Die koloniale Darstellungsstruktur lebt in heutigen Afrikabildern fort’. Der in der Kolonialherrschaft praktizierte Paternalismus, wie er zum Beispiel beim Missionar und späteren Berliner Lehrstuhlinhaber für afrikanische Sprachen und Mitglied der Akademie der Preußischen Wissenschaften, Diedrich Westermann (1875 – 1956), zutage trat – ‘Das Geschick des Afrikaners ist für alle absehbare Zeit mit dem des Europäers aufs engste verbunden, ja es ist von ihm abhängig, er ist der Schüler und Arbeitnehmer, wir die Lehrer und Arbeitgeber, aber auch: wir sind die Herren und er ist der Untergebene’ (Berlin 1939) – ist auch heute noch nicht ausgemerzt, wie ein Blick auf die diversen Prospekte über touristische Reisen nach Afrika zeigt.
Wenn die Kommission des Europarats (ECRI), die Rassismus in den Mitgliedsländern in ihrem Bericht im Juli 2001 konstatiert, dass in Deutschland Rassismus grassiere und weit verbreitet sei, Rassismus von Staat und Gesellschaft nur mangelhaft bekämpft werde und die Ausländerpolitik der Bundesrepublik diesen Namen gar nicht verdiene, dann müsste eigentlich ein ‘Aufstand der Anständigen’, der Demokraten und Antifaschisten einsetzen; nicht eine allzu leicht spielbare Entrüstung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unserem Lande, sondern ein Perspektivenwechsel, bei dem jeder einzelne sich seines eigenen, unbewussten Rassismus bewusst wird und die Erkenntnis wächst, dass es schwierig ist, nicht rassistisch zu sein (Kalpaka / Räthzel, 1994).
Der Sammelband von Susan Arndt wird gegliedert in die Bereiche ‘Mentalitätsgeschichte und Manifestationen von Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland’, ‘Rassismus und Afrikabilder in Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft’ und ‘Afrika im Spiegel bundesdeutscher Politik und NGOs’. Von May Ayim, die sich mit der afro-deutschen Minderheit in unserem Land auseinandersetzt, über Peter Ripken, der die provozierende Frage stellt: ‘Wer hat Angst vor afrikanischer Literatur?’, bis zu Anke Zwink, die über den ‘alltäglichen Umgang mit Rassismus’ reflektiert, versammelt das Buch 27 AutorInnen und Teams, Theoretiker und Praktiker, die sich mit ihren Beiträgen an alle Menschen in unserer Gesellschaft wenden, an Politiker genau so, wie an LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern, an WissenschaftlerInnen und Thekensitzer. Genau so wie ‘Weiß-Sein’ für Weiße in der Regel kein Thema ist, so dürfe doch auch ‘Schwarz-Sein’ für ein friedliches und interkulturelles Zusammenleben in einer Gesellschaft kein Thema sein; darauf weist Ursula Wachendorfer mit Recht hin; und wenn Annelie Buntenbach in ihrem Beitrag ‘Blicke auf Asylpolitik’ ein Antidiskriminierungsgesetz für unsere Gesellschaft anmahnt und die Schwierigkeiten aufzeigt, die dies bisher verhindern, dann wird die Diskrepanz zwischen dem ‘Nützlichkeitsdiskurs’ (Green-card) und einer bisher nur zögerlich angefassten ‘Integrationsperspektive’ (Barbara John) deutlich. Erst wenn die bisherige paternalistische Einbahnstraße und die Monologe der Menschen aus den sogenannten Industrieländern, den ‘Reichen’ also, abgelöst werden durch einen gleichberechtigten kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Dialog, erst dann Rassismus in der bundesdeutschen Gesellschaft keine Chance mehr haben.
Deshalb ist dieses Buch auch ein ausgezeichneter Beitrag zu dem von den Vereinten Nationen für 2001 ausgerufenem Internationalen Jahr ‘Dialog zwischen den Kulturen’. Es ist zu hoffen, dass es auf viele Schreib- und Arbeitstische, in Bücherregale in Schulen, Hochschulen und Volkshochschulen gelangt, weil das Lied von den ‘Zehn kleinen Negerlein’ genau so bei uns gesungen oder (verschämt) gesummt wird, wie ‘Mohrenköpfe’ gegessen werden; auch Anzeichen dafür, dass ‘Rassismus in der bundesdeutschen Gesellschaft fest verwurzelt ist’. In der Präambel der UNESCO ist der Satz zu lesen, wenn ‘Kriege im Geist der Menschen entstehen, (müssen) auch die Bollwerke des Friedens im Geist de Menschen errichtet werden’. Für ‘Krieg’ lässt sich hier ohne Probleme setzen: ‘Fremdenfeindlichkeit’ und ‘Rassismus’ und den Satz ergänzen mit ‘Aufklärung’, ‘Menschlichkeit’ und ‘Toleranz’.
Jos Schnurer, Dipl. – Päd. / Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim

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