Härte, selbst gemacht

UNRAST VERLAG Pressestimmen Härte, selbst gemacht


‘Hardcore-Punk

Nazis reden wie ich?

Es ist schwer, sich an die Bilder von extremen Rechten in Che-Guevara-Shirts zu gewöhnen. Die Adaption linker subkultureller Symboliken ist aber schon etwas älter; auch die Skinhead-Bewegung verstand sich in ihren Ursprüngen als irgendwie links, bevor Nazis das Image des harten Kerls kopierten. Im Punk gab es schon immer rechte Ausläufer, was die Punk-Oldies »Dead Kennedys« dazu brachte, in diese Richtung ein beherztes »Nazi Punks Fuck Off« zu skandieren.
Der Hardcore-Punk ist eine musikalische Weiterentwicklung, in der es auch um die Bildung antikapitalistischer Strukturformen einer Subkultur geht, die sich von den Zwängen des kommerziellen Musikgeschäfts befreien will und selbstverwaltet für eine Gesellschaft frei von Ausbeutung eintritt. Doch selbst hier bilden sich seit Längerem rechte Bands und Strukturen. Ingo Taler dokumentiert und analysiert sie in seinem Buch Out of Step. Einige seiner Argumente lassen sich mit einem Epigramm von Peter Hacks entkräften:
»Nazis reden wie ich? Meine Meinung über Salami/ Wird, dem Esel zum Gram, leider vom Wolfe geteilt.« So wirft Taler einer Clique von Hardcore-Punks organisatorische Strukturen vor, die auch von Faschisten aufgebaut werden. Taler beklagt Untergliederung lokaler Einheiten, die aber genauso bei noch existenten KGruppen oder einem Pfadfinder-Verein existieren.

HÄRTE, SELBST GEMACHT

Andere Beispiele wiegen schwerer. Insbesondere sexistisches Auftreten ist bei den Tough Guys aus dem Hardcore fast die Regel. Auch Homophobie scheint kein Randphänomen mehr zu sein. Dass viele in der Szene vegan leben, könnte als Skurrilität abgetan werden, wenn kein missionarischer Eifer diesen Antihedonismus begleiten würde. In der Praxis ist es oft regelrechter Hass auf sich normal Ernährende, der
Hardcore-Veganer antreibt. Und so manche Band propagiert einen offensiven Patriotismus.

Hardcore-Punk ist Teil einer linken Subkultur und wird dies wohl bleiben. Die Szene muss sich aber fragen lassen, wie es zu Übernahmeversuchen von Nazis kommen kann und wo diese ihre Anknüpfungspunkte finden. Schon die Existenz von Bands mit Namen wie »Blue Eyed Devil« oder »Angry Aryans« zeigt die Notwendigkeit antifaschistischer Gegenwehr.
Wirkungsvolle Kritik gewinnt ihren Wert manchmal erst durch begründete Engführung. Im vorliegenden
Buch wäre es jedoch sinnvoll gewesen, der anderen Seite des Hardcore ein wenig mehr Raum einzuräumen. Straight Edge etwa, einen Zweig des Hardcore, der sich durch konsequente Drogenfreiheit auszeichnet, als nationalistischen Kult vorzustellen, könnte gut ergänzt werden dadurch, dass viele Straight Edger Anarchisten sind und es auch »communist straight edge« gibt.
Taler zielt nicht auf eine Diffamierung der gesamten Szene, sondern will durch Aufklärung die antifaschistischen Flügel stärken – auch indem er ihnen ihre Versäumnisse vorwirft. In diesem Sinne hat er eine sehr kenntnisreiche Diskussionsgrundlage geschaffen, die dank der detailreichen Darstellung mit Hilfe des Registers als Nachschlagewerk benutzt werden kann. Ihre Rezeption in der Szene sollte zu einem bewussteren, also konsequent bekämpfenden Umgang mit rechten Bands führen.’

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