»Unsere Bügeleisen
Eine etwas andere (Kinder-)Geschichte des Kommunismus
Die Überlegung besticht durch ihre Einfachheit: Weit mehr schon als eine Dekade nach dem ‘Ende der Geschichte’ über Kommunismus nachdenken zu wollen, erfordert völlig neue Ausdrucksweisen. Weg vom Pathos der roten Fahnen und Barrikaden, weg vom Geschäftsordnungston der Parteien und Grüppchen und weg von der reinen Lehre der Marxexegese kann nur eine kinderleichte Sprache, so Bini Adamczak, dafür sorgen, dass die freie Assoziation der Individuen wieder denkbar, vorstellbar und wünschbar wird, um machbar zu werden. Und so ist denn die Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird eine theoretisch angeleitete Erzählung, die sich der Sprache eines Kinderbuchs bedient. Sie fällt damit durch jedes Raster: weder tatsächlich ein Kinderbuch, noch theoretisches Essay, weder literarische Erzählung noch historischer Abriss. In Missachtung der gängigen Genres ist Adamczak eine differenzierte Vergegenwärtigung der Fallstricke kommunistischer Gesellschaftskritik gelungen – mit Unterhaltungswert.
Vom Feudalismus bis in die heutige Zeit: Adamczak schreibt über neidische Prinzessinnen, Händlerinnen, die Glasperlen gegen Gold tauschen, vertriebene Bäuerinnen, die ihre Arbeitskraft in der Stadt verkaufen müssen, über Bügeleisenfabriken und den ‘großen Topf’ Staat, in den alle ihr Geld werfen, damit es, so die Hoffnung, gerecht verteilt werde. Aus der Konkurrenz der Fabriken erwächst schließlich die kapitalistische Krise und damit der Dreh- und Angelpunkt der weiteren Erzählung. ‘Und so wird’s gemacht’: In sechs Versuchen spielen die Menschen in den Bügeleisenfabriken in ihrer kindlich naiven Euphorie die bekannten Varianten kommunistischer Gesellschaftsveränderung durch, bemerken jedoch schnell, dass sie weiterhin unzufrieden sind.
Sei es die Regulierung des Marktes durch den Staat bis hin zur kompletten Verstaatlichung, die Selbstorganisation der Arbeit bis hin zu ihrer Abschaffung oder bloße Maschinenstürmerei. Immer bleibt in ihren Augen Wesentliches unberücksichtigt: stupide Arbeitsinhalte, Konkurrenz, Bürokratismus, Verdinglichung oder das Zurückfallen hinter schon erreichte Lebensstandards. ‘Versuch Nr. 6’, die bewusste Entscheidung, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, führt schließlich zur radikalen Kehrtwende: ‘Wir entscheiden alleine, wie es weiter geht. Denn das ist unsere Geschichte – und die machen wir jetzt selbst.’
In einem Epilog benennt Adamczak noch einmal den Mangel der aufgeführten Kritikstrategien im Klartext: Allesamt setzen sie an Einzelphänomenen an, fordern je nach theoretischer Orientierung die Verbesserung von Zirkulation, Produktion oder Konsumtion ohne sich an das große Ganze heranzuwagen. Und noch ein weiteres Manko treibt Adamczak an: Was, wenn es an sozialen Bewegungen fehlt, die die kommunistische Idee praktisch werden lassen? Die Antwort klingt kinderleicht: Der Text sei es, der die stimulierende Wirkung praktischer Erfahrungen simulieren müsse. Allerdings können die Irrungen und Wirrungen der Praxis wohl nur bis zu einem gewissen Grad am Schreibtisch durchgespielt werden.
Verziehen sei, dass Adamczak gleich in der Einleitung mit der Verwendung der Krankheitsmetapher – an deren Dekonstruktion sich schon unzählige diskurstheoretische Arbeiten abgemüht haben – zielsicher in eines der vielen Fettnäpfchen der Kapitalismuskritik tritt. Nicht zu verzeihen hingegen ist, dass reaktionäre Formen der Kapitalismuskritik und sonstige Katastrophen des Kommunismus kaum Erwähnung finden. Dennoch: Dieses schmale Bändchen, das sich quer zu allen gängigen Textformen politischer Bücher stellt, enthält weit mehr Diskussionsstoff über die Zukunft sozialer Utopien und emanzipativer Gesellschaftskritik als unzählige theoretisch abgesicherte, staubtrockene Publikationen.» – Gottfried Oy, Frankfurter Rundschau online, 9. Dezember 2004